Europäische Kommission wirft Nebelkerze
Steuern
Die Europäische Kommission wird morgen (Dienstag, 15. Januar) einen Vorschlag vorlegen, um Steuerfragen mit qualifizierter Mehrheit im Rat zu entscheiden. Bisher gilt das Einstimmigkeitsprinzip, das Entscheidungen blockiert. Wichtige Vorhaben für eine europäische Reaktion auf die Steuerskandale hängen seit Jahren im Rat fest, darunter die gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB), die Digitalsteuer, die Umsatzsteuerreform und Sanktionen gegen Steueroasen. Die EU-Kommission will die Brückenklausel („Passerelle-Klausel”) im EU-Vertrag nutzen, deren Nutzung jedoch selbst die Einstimmigkeit aller Mitgliedsländer verlangt. Mehrere Staaten haben schon angekündigt, dass sie das Mehrheitsverfahren bei Steuerfragen weiter ablehnen, die Bundesregierung hält sich bedeckt.
In der EU-Kommission gibt es keine Mehrheit, Artikel 116 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu nutzen, der eine Mehrheitsabstimmung in Steuerfragen ohne Einstimmigkeit erlaubt, wenn die EU-Kommission es nur will. Genau das hatte Jean-Claude Juncker am 30. Mai 2017 in einer öffentlichen Anhörung des Untersuchungsausschusses zu Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung versprochen.
Zudem diskutieren die Koordinatoren des temporären Steuer-Sonderausschusses TAX3 heute über die Einrichtung eines permanenten Steuerunterausschusses im Europäischen Parlament. Zur Aufarbeitung der LuxLeaks wurde der Sonderausschuss TAXE eingesetzt, inzwischen arbeitet bereits der vierte Sonderausschuss TAX3 die Enthüllungen der Paradise Papers auf.
Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion, kommentiert:
„Die Europäische Kommission wirft eine Nebelkerze. Was aussieht wie ein sinnvoller Schritt zur Überwindung der Blockadehaltung der EU-Regierungen, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Scheinriese. Die EU-Kommission muss sich den Vorwurf gefallen lassen, mit ihrem Vorstoß kurzfristig Lorbeeren einheimsen zu wollen, ohne Ergebnisse zu liefern. Das Vorhaben, Einstimmigkeitsblockaden mit einem einstimmigen Beschluss zu überwinden, ist absurd und durchsichtig unwirksam.
Von Steuertransparenz über gemeinsame Bemessungsgrundlage bis zu Digitalsteuer blockieren die EU-Regierungen aus nationalem Egoismus Schlüsselthemen für die Bürger in der Europäischen Union. Die Europäische Kommission sollte feststellen, dass die Vetorechte einzelner Steueroasen in der Europäischen Union den Wettbewerb verzerren. Die EU-Kommission muss bei der gemeinsamen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage und der Digitalsteuer ins Mehrheitsverfahren wechseln. Artikel 116 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union weist den Weg. Die Bundesregierung sollte Frankreich beim Wechsel zur Einstimmigkeit bei Steuerfragen unterstützen und sich nicht weiter wegducken.
Jean-Claude Juncker hat im Zuge des Panama Papers-Untersuchungsausschusses die Nutzung von Artikel 116 versprochen. Dieses Versprechen will er nun nicht halten.
Die Aufarbeitung des TAX3-Sonderausschusses hat gezeigt, dass wir die großen Steuerfragen nicht den EU-Mitgliedstaaten überlassen dürfen. Ein permanenter Unterausschuss für Steuerfragen und Finanzkriminalität ist der richtige Weg.“
Jean-Claude Juncker am 30. Mai 2017 zum Ende des Einstimmigkeitsprinzips (ab Minute 53:04): http://www.europarl.europa.eu/ep-live/de/committees/video?event=20170530-1500-COMMITTEE-PANA