Lage der Union
Ein Versprechen, das jetzt eingelöst werden muss
Zur heutigen Rede von Kommissionspräsidenten José Barroso zur Lage der Nation erklärt Rebecca Harms, Ko-Fraktionsvorsitzende der Grünen/EFA im Europäischen Parlament:
"Barrosos klare Absage an einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone und sein Bekenntnis für mehr Europa als Antwort auf die Krise sind das richtige Signal. Die Finanz- und Schuldenkrise in Europa belegt: Die Währungsunion kann nur in einer starken Wirtschaftsunion funktionieren. Wir brauchen eine gemeinsame Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik in der EU.
Dieses gemeinsame Europa braucht demokratisch kontrollierte, starke europäische Institutionen - kein Gekungel zwischen den Regierungschefs. Barroso hat Recht, wenn er darauf verweist: "Die Kommission ist die wirtschaftspolitische Regierung der Union." Und das Europäische Parlament ist der Kontrolleur dieser Regierung.
Europäische Institutionen haben wir genug. Barrosos energische Absage an die Schaffung von neuen intergouvernmentalen Institutionen, wie sie Merkel und Sarkozy vorschweben, ist richtig. Allzulange hat Barroso in der Debatte um die Finanz- und Wirtschaftskrise das Feld den Regierungen der Mitgliedsstaaten überlassen: heute hat er einen neuen Aufbruch formuliert. Dieses Versprechen für die Erneuerung Europas muss er jetzt einlösen.
Das Problem der EU ist die wachsende Ungerechtigkeit, die sich in der Krise noch verschärft hat und zwar durch politische Entscheidungen. Zuerst wurden die gesamten Kosten der Bankenkrise vergesellschaftet. Eine faire Beteiligung der Gläubiger an dem von ihnen angerichteten Schaden steht noch aus. Und jetzt geht in den Defizitländern die Schuldenbekämpfung zu Lasten der Mittelschichten, der Einkommensschwachen und der Armen. Will man der kommenden Rezession gegensteuern, dann darf man nicht nur sparen. Dringend notwendig sind Zukunftsinvestitionen in Bildung und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und die Bekämpfung der Armut in der EU. Das schwindende Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger können wir nicht allein mit mehr Europa sondern muessen wir mit mehr Gerechtigkeit in Europa zurückgewinnen.
Barrosos große Schwäche bleibt weiter die die Klima- und Umweltpolitik. Obwohl wir uns einig sind, dass es ökonomisch vernünftiger ist, in ehrgeizigen Klimaschutz zu investieren als die Folgen des Klimawandels hinzunehmen, steht die EU kurz vor der UN-Klimakonferenz in Durban konzeptlos da. Wir vermissen bei Barroso einen klaren Plan für nachhaltige Entwicklung mit den Schwerpunkten Klimaschutz und Ressourceneffizienz."