Schengen
Innenausschuss zeigt Rat einmal die rote, einmal die gelbe Karte
Der Innenausschuss des Europaparlaments hat heute Abend über das Schengenpaket abgestimmt (1). Die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten fordert die volle Beteiligung des Parlaments bei der Überwachung der Schengenregeln und scheint entschlossen, den Klageweg zu beschreiten. Bei der Wiedereinführung von Grenzkontrollen machen Konservative, Liberale und Sozialdemokraten aber weitreichende Zugeständnisse an den Rat. Bei Grenzkontrollen aus Gründen der inneren Sicherheit oder öffentlichen Ordnung sollen die Mitgliedsstaaten weiterhin im Alleingang entscheiden können. Nur bei Grenzkontrollen gegen Mitgliedstaaten, die ihre Außengrenzen nicht ausreichend kontrollieren und zu vielen Flüchtlinge ins Land lassen, soll die Entscheidungshoheit bei der EU-Kommission liegen.
Ska Keller, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament, kommentiert:
"Der Innenausschuss des Europaparlaments hat dem Rat die rote Karte gezeigt. Es geht nicht an, dass der Rat das Parlament beim Verfahren zur Überwachung der Schengenregeln einfach bei der Mitentscheidung rauskickt. Das ist nicht nur ein Rückfall in veraltete Zeiten der Regierungsdominanz europäischer Politik, das ist auch zutiefst undemokratisch.
Die gleiche Stärke hätte der Innenausschuss auch beim Schutz von Schengen gegen populistische Alleingänge der Mitgliedsstaaten an den Tag legen müssen. Aber hier hat er trotz eines groben Fouls des Rates nur die gelbe Karte gezogen. Der heute angenommene Weber-Bericht zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen beruht auf einem informellen Kompromiss mit der dänischen Ratspräsidentschaft. Demnach sollten die Mitgliedsstaaten bei der Wiedereinführung von Grenzkontrollen bei Fußballspielen oder politischen Großveranstaltungen wie bisher auch im Alleingang entscheiden können. Bei dem neuen Punkt 'Wiedereinführung von Grenzkontrollen bei hohem Migrationsdruck' sollte dagegen gemeinsam auf EU-Ebene entschieden werden Die EU-Innenminister haben diesen Kompromiss auf Betreiben von Deutschland und Frankreich einseitig aufgekündigt. Dass jetzt die Mehrheit im EP-Innenausschuss trotz dieses Affronts an dem Kompromiss festhält, ist nicht nachvollziehbar. Damit lässt sich der Ausschuss vom Rat zum Hampelmann machen.
Schengen braucht ein starkes Europaparlament. Die Mitgliedsstaaten wollen die Axt an eine der größten Errungenschaften der EU, die Reisefreiheit, legen. Das muss das Europaparlament verhindern."
Anmerkungen:
1) Der Innenausschuss stimmte über den Bericht Coelho über das Verfahren zur Überwachung der Schengenregeln und über den Bericht Weber über die Wiedereinführung von Grenzkontrollen ab.
Siehe auch unsere Pressemitteilung zur Ratsentscheidung auf http://www.greens-efa.eu/de/schengen-7416.html
Ein ausführlicheres Briefing über das Schengenpaket finden sie auf http://www.greens-efa.eu/de/schengen-vor-populistischem-missbrauch-schuetzen-7427.htm