Durchbruch bei Verhandlungen ist wichtiger Schritt für mehr Steuertransparenz
Steuergerechtigkeit/länderbezogene Steuerberichterstattung
Die Verhandlungsführerinnen und Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments, des Rats und der Europäischen Kommission haben heute Abend (1. Juni) eine Einigung über die lang erwartete Steuertransparenzmaßnahme der öffentlichen länderbezogenen Steuerberichterstattung für große multinationale Unternehmen erzielt. Mit den neuen Regeln werden multinationale Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro pro Jahr in zwei aufeinanderfolgenden Jahren verpflichtet sein, zu erklären, wie hoch die erwirtschafteten Gewinne und gezahlten Steuern sind, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie in den EU-Ländern beschäftigen und in den Ländern, die auf den EU-Steueroasen-Listen nicht kooperativer Länder stehen.
Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, kommentiert:
„Die Einigung ist ein Meilenstein für Steuergerechtigkeit in der Europäischen Union. Wenn große Unternehmen ihre Gewinne und gezahlten Steuern pro Geschäftsland offenlegen müssen, wird Steuerdumping für alle sichtbar. Es ist eine Schande, dass die Bundesregierung nicht Teil der Mehrheit für diesen Fortschritt ist. Hätte sich die Bundesregierung für die länderbezogene Steuerberichterstattung eingesetzt, wäre ein noch besserer Kompromiss möglich gewesen. So bleibt trotz des Fortschritts ein Wermutstropfen, Unternehmen müssen ihre Steuerzahlungen nur in EU-Ländern und Ländern von der EU-Liste der Steueroasen transparent machen. Steuerdumping beenden wir erst, wenn Unternehmen ihre Steuerzahlungen aus allen Länder veröffentlichen müssen.
Dennoch ist dieser Kompromiss einer der guten Sorte. Etwa 80 Prozent der verlorenen Steuereinnahmen von Großunternehmen in der EU gehen auf europäische Steueroasen zurück. Die heutige Einigung deckt den Großteil der verlorenen Steuereinnahmen in der EU ab. Das Europäische Parlament hat wichtige Zugeständnisse errungen, die dem Kompromisstext weitere Zähne verleihen. Da die Mehrheit im Rat für den Vorschlag so knapp ist, war die Gefahr groß, dass der Vorschlag wie die Finanztransaktionssteuer auf dem ewigen Abstellgleis landet. Die innereuropäische Transparenz kann nun eine internationale Dynamik auslösen, weitere Länder können sich dem Vorstoß der EU anschließen. Der Fortschritt für die Steuergerechtigkeit ist auch der portugiesischen Ratspräsidentschaft zu verdanken. Zukünftig wird sich deutlich zeigen, wo sich die Großunternehmen vor ihrer gesellschaftlichen Verantwortung drücken. Wir können uns diese Steuerausfälle ökonomisch und gesellschaftlich einfach nicht leisten.”
Heidi Hautala, Schattenberichterstatterin der Grünen/EFA-Fraktion im Rechtsausschuss, kommentiert:
„Steuertransparenz für multinationale Unternehmen ist zentral auf dem Weg zu Steuergerechtigkeit. Die Einigung ist ein wichtiger erster Schritt. Die Bürgerinnen und Bürger verdienen es, zu wissen, wieviel Steuern Unternehmen zahlen und wieviel sie dort verdienen, wo sie tätig sind. Der EU-Binnenmarkt darf nicht missbraucht werden, um die Staatskassen der EU-Mitgliedstaaten im Wettlauf nach unten gegeneinander auszuspielen. Die unfairen Steuerpraktiken multinationaler Konzerne benachteiligen kleine und mittlere Unternehmen, die bereits stark von der Pandemie betroffen sind. Öffentliche länderbezogene Steuerberichterstattung bedeutet, zu wissen, wo große Konzerne wieviel Steuern zahlen. Das ist ein Erfolg für die Bürgerinnen und Bürger und zeigt, dass die EU handlungsfähig ist bei Themen, die den Menschen am Herzen liegen. Langfristig kann Steuergerechtigkeit entscheidend sein für das Vertrauen in das europäische Projekt."
Hintergrund
Die Maßnahmen, die seit Langem von der Fraktion der Grünen/EFA gefordert wurden, sind ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Steuervermeidung von Unternehmen, für weniger Steuerwettbewerb zwischen den EU-Mitgliedstaaten und mehr Steuertransparenz. Die Forderung nach öffentlicher länderbezogener Steuerberichterstattung wurde lauter, nachdem eine Reihe internationaler Steuerskandale durch die Veröffentlichung von LuxLeaks und der Panama Papers aufgeflogen waren.