Einstimmigkeit in der EU-Steuerpolitik muss aufgehoben werden
Digitalsteuer
Die EU-Regierungen haben auch nach ihren heutigen (Dienstag 4. Dezember) Beratungen keine einheitliche Position zur Besteuerung von Digitalunternehmen. Das Treffen der 28 Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN) endete ergebnislos. Mehrere EU-Regierungen, darunter auch die deutsche Bundesregierung, lehnen eine EU-weite Digitalsteuer ab. Die Abgeordneten des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europaparlaments stimmten gestern mit großer Mehrheit dafür. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Kommissar Pierre Moscovici wollen für Entscheidungen zu Steuern ab Anfang nächsten Jahres Mehrheitsentscheidungen vorschlagen. Für Steuern würde so gelten, was bereits in anderen Politikfeldern wie der Umwelt- und Energiepolitik der Fall ist. Dadurch könnten einzelne Mitgliedstaaten nicht länger wichtige Steuerdossiers im Rat blockieren, für die Einführung der Digitalsteuer würde eine qualifizierte Mehrheit ausreichen. Bisher ist Einstimmigkeit notwendig.
Am 21. März 2018 hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, Erträge aus dem Verkauf von Online-Werbeflächen, Erträge aus digitalen Plattformen sowie Erträge aus dem Verkauf von Daten mit drei Prozent zu besteuern und danach digitale Betriebsstätten im Steuerrecht einzuführen. Der deutsch-französische Alternativvorschlag sieht nun nur noch eine Steuer auf Werbeeinnahmen vor. Dadurch würden Google und Facebook zur Kasse gebeten, Amazon, Airbnb, Netflix und Apple blieben jedoch außen vor.
Sven Giegold, Mitglied der Grünen/EFA-Fraktion im Sonderausschuss „Finanzkriminalität, Steuerflucht und Steuervermeidung“ („Tax3“), kommentiert:
„Mit jeder Verzögerung der Digitalsteuer wird das unfaire Steuergebaren von Digitalunternehmen verlängert. Mehr Steuergerechtigkeit in der Digitalökonomie darf nicht länger aufgeschoben werden. Das Einstimmigkeitsprinzip in der europäischen Steuerpolitik muss aufgehoben werden. Es ist absurd, dass Steueroasen wie Irland eine Vetomacht in der EU-Steuerpolitik haben. Die EU-Kommission sollte jetzt nach Art. 116 ihren ursprünglichen Vorschlag für die Digitalsteuer vorlegen. Der Art. 116 erlaubt es, im Mehrheitsverfahren zu entscheiden, wenn der Binnenmarkt verzerrt wird und andere Maßnahmen gescheitert sind. Die von der EU-Kommission scheinbar favorisierte Passerelle-Regelung löst das Problem der Blockade durch Einzelstaaten nicht.
Mit dem deutsch-französischen Vorschlag wäre allerdings auch nichts gewonnen worden. Die deutsch-französische Digitalsteuer verdient ihren Namen nicht. Die Bundesregierung verhindert eine faire Besteuerung von Digitalunternehmen. Die deutsche Haltung ist eine Brüskierung Frankreichs. Ursprünglich sollte die Steuer für die 180 größten Digitalunternehmen gelten, nun sollen Giganten wie Amazon, Apple und Airbnb und Netflix verschont bleiben. Der Vorschlag ist ein schlechter Scherz und geht an den Realitäten der heutigen Digitalökonomie vorbei. Die steuerliche Herausforderung der Digitalisierung ist wahrlich nicht die Online-Werbung. Steuern müssen von Digitalunternehmen auch am Ort des Konsums, nicht nur am Ort der Produktion erhoben werden. Aus Angst vor einer Belastung der deutschen Exportwirtschaft blockiert die Bundesregierung eine zeitgemäße Digitalsteuer. Das ist kurzsichtig. Die neuen Bedingungen der Digitalwirtschaft erfordern ein neues Denken in der Steuerpolitik.”
Hintergrund
Die Änderung der Abstimmungsregeln zu Steuern mittels der Passerelle-Klausel muss der Rat einstimmig entscheiden. Deshalb wäre dies faktisch unmöglich. Sofort machbar wären EU-Kommissionsvorschläge im Steuerbereich auf Grundlage des Artikels 116 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der schon heute keine Einstimmigkeit erfordert, sondern Entscheidungen per Mehrheit zulässt.