Neue Regeln für Benchmarks
EU-Abgeordnete knicken vor Finanzlobby ein
Am heutigen Dienstag hat das Europäische Parlament über die Regeln für sogenannte finanzielle Benchmarks abgestimmt. Ein Benchmark ist ein Index, auf den Bezug genommen wird, um den Wert eines Finanzinstruments oder den für einen Finanzkontrakt zahlbaren Betrag zu bestimmen (1). Es wird zwar neue EU-weite Regeln geben, diese sind aber auf Druck der Finanzlobby stark verwässert worden. Die Regeln werden jetzt im Trilog mit dem Rat und der EU-Kommission verhandelt. Die Entscheidung kommentiert Sven Giegold, wirtschafs- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament:
"Die Lobby der Finanzindustrie kann einen weiteren Sieg im Europäischen Parlament verbuchen. Die Regeln für die umstrittenen Benchmarks sind stark verwässert worden. Damit schwächt das Europaparlament den Vorschlag der EU-Kommission. Die Interessen der Finanzindustrie sind der Mehrheit der Abgeordneten offenbar wichtiger als verlässliche Finanzinformationen oder Verbraucherschutz.
Es ist zwar ein Fortschritt, dass es nun erstmals EU-weite Regeln für Benchmarks gibt, darunter auch für Libor und Euribor. Aber auch in Zukunft bleiben wichtige Entscheidungen auf nationaler Ebene. Weil Benchmarks länderübergreifend genutzt werden, ist dies ein erheblicher Nachteil für die Verbraucher. Die EU-Kommission kann zum Beispiel nicht entscheiden, welche Benchmarks als "kritisch" eingestuft werden, für die schärfere Regeln gelten. Wichtige Benchmarks werden per se als unkritisch eingestuft, darunter auch solche für Gold, Silber und andere Rohstoff-Indexe.
Außerdem wurden die Daten, die Finanzinstitute für Benchmarks hinterlegen müssen, verringert. Für Investoren wird es weiterhin schwierig sein, das Risiko von Indizes und Benchmarks verlässlich einzuschätzen. Wie wichtig verlässliche Daten sind, zeigt der Missbrauch von Libor in der Vergangenheit: Damals waren diese Daten im Interesse der Finanzinstitute manipuliert worden. Änderungsanträge der Grünen/EFA-Fraktion gegen die Abschwächung und die Schlupflöcher wurden von Christ-, Sozialdemokraten und Liberalen abgelehnt."
(1) Die London Interbank Offered Rate (LIBOR) und die Euro Interbank Offered Rate (EURIBOR) sind oft genutzte Benchmarks. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass diese Benchmarks leicht manipuliert werden können. Im Dezember 2013 haben Behörden in Europa und den USA die Manipulation von LIBOR und EURIBOR untersucht. Die Europäische Kommission verhängte damals Geldbußen im Wert von 1,7 Milliarden Euro an acht Banken. Die Finanzinstitute hatten sich abgesprochen, um LIBOR und EURIBOR für ihre Geschäftsinteressen zu beeinflussen. 2014 wurden weitere Banken für ähnliche Vergehen bestraft.