Eurovignette
Kostenwahrheit im Prinzip, Fortsetzung der Wettbewerbsverzerrung in der Praxis
Zur heutigen Einigung des Verkehrsministerrates über die Anlastung der Wegekosten für den Schwerlastverkehr (Eurovignetten-Richtlinie) erklären Michael Cramer und Eva Lichtenberger, verkehrspolitische Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament:
"Ein fairer Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern und damit ein nachhaltigerer europäischer Verkehrssektor sind nur möglich, wenn die zu entrichtenden Preise auch die wahren gesellschaftlichen Kosten widerspiegeln. Dass der Verkehrsministerrat dieses grundlegende wirtschaftliche Prinzip - die Internalisierung der externen Kosten - nun auf Druck des Europäischen Parlaments und besonders der Grünen zum ersten Mal in der EU-Gesetzgebung verankert, begrüßen wir deshalb ausdrücklich. Denn nur wenn das Verursacher-Prinzip Anwendung findet, können sich die Kunden für den tatsächlich effizientesten Verkehrsträger entscheiden.
Bedauerlicherweise geht die Einigung der europäischen Verkehrsminister dabei jedoch nicht über eine vor allem symbolische Einführung dieses Prinzips hinaus. Damit wurde diese Entscheidung ein Symbol der Unfähigkeit, eine nachhaltige Verkehrspolitik zu entwickeln: die Verlagerung von der Schiene auf die Strasse wird weiterhin fortgefahren. Der vorgelegte Kompromiss würde die Benachteiligung der umweltfreundlichen Verkehrsträger nur minimal korrigieren, denn die maximal anzurechnenden Kostensätze bleiben zu gering und allein die Folgen für Luftverschmutzung und Lärm - sowie unter bestimmten Umständen Stau - können angerechnet werden. Unfallkosten und die Folgen für den Klimawandel hingegen bleiben unberücksichtigt. Schließlich ist eine besondere Berücksichtigung sensibler Regionen nur in einem sehr engen Spielraum möglich. An diesen Stellen muss die Umsetzung des nun eingeführten Prinzips in Zukunft nachgebessert werden.
Wie es besser geht, macht die Schweiz vor: Um das Milliardenprojekt des Gotthard-Basistunnels zu finanzieren, wird eine bis zu vier Mal höhere Maut als in Deutschland erhoben werden. Am selben Tag, an dem den Schweizer Ingenieuren heute der Durchbruch bei der Bohrung für den neue Gotthard-Tunnel gelang, zeigen die EU-Verkehrsminister dass sie zu solchen sinnvollen Entscheidungen nicht fähig sind.
Der mangelnde Wille zu einer effektiven und einheitlichen EU-Lösung kommt schließlich auch darin zum Ausdruck, dass es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, welche Kosten sie jeweils überhaupt anrechnen - wobei die EU zudem noch Höchstgrenzen einzieht. Damit wird der unfaire Wettbewerb zwischen den Verkehrsmodi aufrechterhalten, denn auf der Schiene gibt es eine verpflichtende Maut für jede Lokomotive auf jedem Streckenkilometer, die in der Höhe unbegrenzt ist und EU weit von jedem Mitgliedstaat bereits erhoben werden muss. Auf der Straße hingegen ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, ob sie überhaupt eine Maut erheben. Zudem ist sie in der Höhe begrenzt und gilt meist nur auf Autobahnen für LKW über 12t."