Europäische Chemiewende rückt näher
Chemikalienstrategie/Verbraucherschutz
Die heute (Mittwoch, 14. Oktober) von der Europäischen Kommission vorgelegte Chemikalienstrategie ist ein richtiger Schritt hin zur Europäischen Chemiewende und kann den Rahmen schaffen für eine nachhaltige, schadstofffreie und wettbewerbsfähige Chemieindustrie. Die ökologische Innovationsoffensive ist die Chance für die Chemieindustrie, auch in Zukunft wirtschaftlich stark zu bleiben. Trotz der in den vergangenen Jahrzehnten erzielten Fortschritte sind immer noch viele gefährliche Chemikalien in alltäglichen Produkten wie Spielzeug, Kosmetika, Textilien, Leder und Lebensmittelverpackungen enthalten. Hormonähnlich wirksame Stoffe („endokrine Disruptoren“) stehen im Verdacht, krebserregend zu sein und unfruchtbar zu machen. Studien über Hormongifte wie Bisphenol-A legen nahe, dass sie bei Kindern so genannte „Kreidezähne” verursachen.
Sven Giegold, Schattenberichterstatter der Resolution im federführenden Ausschuss für Umwelt, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, kommentiert:
„Die EU-Kommission hat eine gute Strategie für den nötigen Umbau der Chemieindustrie vorgelegt. Die Europäische Union läutet eine Chemiewende ein, die den Schutz von Gesundheit und Umwelt mit einer zukunftsorientierten Industriepolitik im Sinne des Grünen Deal verbindet. Sie öffnet die Tür für mehr Schutz vor giftigen Chemikalien im Alltag und für eine nachhaltige, wettbewerbsfähige und schadstofffreie europäische Chemieindustrie. Mit sauberer Chemie Made in Europe schützen wir Verbraucherinnen und Verbraucher und sichern rund 1,2 Millionen Arbeitsplätze in der europäischen Chemieindustrie. Der EU-Kommission ist ein großer Wurf für den Verbraucherschutz gelungen. Die Strategie markiert den Einstieg in den Ausstieg aus giftigen Chemikalien in unserem Alltag. Gefährliche Substanzen werden in Zukunft schneller, effizienter und breiter in Produkten verboten. Hormongifte wie Bisphenol-A werden bald aus vielen Anwendungen gedrängt.
Die heutige Strategie ist auch ein Erfolg für uns Grüne/EFA, lange Zeit war der nachhaltige Umbau der Chemieindustrie keine Priorität der EU-Kommission. Es ist höchste Zeit, giftige Chemikalien aus dem Verkehr zu ziehen. Die Chemieindustrie darf nicht die Fehler anderer Schlüsseltechnologien wiederholen und muss jetzt in zukunftsfähige, nachhaltige Technologien investieren.”
Jutta Paulus, Mitglied im Ausschuss für Umwelt, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, kommentiert:
„Beim Europäischen Chemikalienrecht mangelt es an der Durchsetzung. Es ist gut, dass die EU-Kommission unsere Forderung erfüllt, für mehr Verbraucherschutz einheitliche Mindeststandards für Kontrollen durch nationale Behörden und eine direkte Kontrolle durch die EU-Kommission festzulegen.
Unabdingbar ist die Aberkennung des Vermarktungsrechts, wenn Hersteller oder Importeure grob fehlerhafte oder unvollständige Daten vorlegen. Großzügige Regelungen gegenüber Herstellern, die unvollständige oder falsche Daten eingereicht haben, benachteiligen die Firmen, die rechtskonforme Registrierungsdossiers erstellt haben.
Wir begrüßen, dass der Vorschlag der EU-Kommission endlich Nachhaltigkeitskriterien wie Energie- und Ressourcenverbrauch in die unter REACH zu berichtenden Parameter aufnehmen will. Berichten allein greift jedoch zu kurz. Nur mit dem Einstieg in eine echte Kreislaufwirtschaft und massivem Ausbau der Erneuerbaren Energien kann die Chemieindustrie die Klimaziele erreichen. Der enorme Energie- und Ressourcenverbrauch der Branche ist mit einem Wirtschaften innerhalb der Planetaren Grenzen unvereinbar. Wermutstropfen in der Chemikalienstrategie ist das fehlende klare Bekenntnis zum Klimaschutz und Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und Rohstoffen hin zu nachwachsenden, nachhaltig produzierten Rohstoffen. Nächster Schritt muss ein europäisches Lieferkettengesetz sein.“
Hintergrund
Die Europäische Kommission nimmt grundlegende Forderungen des Europäischen Parlaments in ihre Strategie auf wie einheitliche Zulassungskriterien für Chemikalien auf dem europäischen Markt statt Einzelfallprüfungen, eine Überarbeitung der Chemikalien-Verordnung REACH („Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“, „Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe“), um Zulassung, Bewertung und Beschränkung chemischer Stoffe zu verbessern, und ein weitgehendes Verbot von Hormongiften in Konsumgütern. Die Chemikalienstrategie ist Teil des Null-Schadstoff-Aktionsplans des Europäischen Grünen Deals. Das Europäische Parlament hatte die Chemikalienstrategie seit Langem gefordert, die EU-Kommission hat die Veröffentlichung immer wieder aufgeschoben.