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Presse­mitteilung |

Sitz des Europäischen Parlaments

EU-Abgeordnete haben genug von Bevormundung durch den Europäischen Rat

Das Europäische Parlament hat heute mit einer überwältigenden Mehrheit über Fraktions- und Ländergrenzen hinweg dafür gestimmt, in Zukunft selbst über seine Arbeitsweise und damit auch über die Arbeitsorte zu entscheiden. Die EU-Abgeordneten haben, zum ersten Mal in der Geschichte des EU-Parlaments, angekündigt, hierfür das notwendige Verfahren zur Änderung der EU-Verträge einzuleiten. Dazu erklärt der Berichterstatter Gerald Häfner, Sprecher der Grünen-Fraktion für Verfassungsfragen:

"Diese Abstimmung ist von historischer Bedeutung für die europäische Demokratie. Es geht dabei um mehr als die Beendigung des dem EU-Parlament aufgezwungenen, verschwenderischen Reisezirkuses zwischen Straßburg und Brüssel.

Es geht um die wichtigste Frage jeder Demokratie: Wer hat das Sagen? Die Regierungen oder die Bürger und ihre gewählten Vertreter?

Das EU-Parlament ist es leid, auf Geheiß der Staats- und Regierungschefs und gegen seinen Willen in Europa hin- und hergeschickt zu werden. Mehrfach haben die EU-Abgeordneten sich für einen einzigen Sitz des Parlaments ausgesprochen. Es ist keine den Regierungen unterstellte Behörde, sondern die einzige direkt gewählte Vertretung von 500 Millionen EU-Bürgern.

Es wird deshalb heute zum ersten Mal von seinem Recht Gebrauch machen, Vertragsänderungen zu fordern. Das ist eine historische Zäsur – gegen ein von den Regierungen der Mitgliedsstaaten gegängeltes Parlament und für die Stärkung der Demokratie in der Europäischen Union.

Das allmonatliche Hin und Her zwischen Brüssel und Straßburg ist ineffizient, teuer und umweltschädigend. Es lähmt die Arbeit des EU-Parlaments und isoliert die Abgeordneten während der Plenarwoche von den anderen EU-Institutionen ebenso wie von den Repräsentanten der Mitgliedstaaten und der europäischen Zivilgesellschaft in Brüssel. Es ist höchste Zeit, dieses absurde Theater zu beenden. Und der beste Weg dafür ist es, dem Parlament selbst die Entscheidung in die Hände zu legen, wann und wo es arbeitet.

Die überwältigende Mehrheit für diesen Bericht ist auch ein Signal an die Staats- und Regierungschefs: Das EU-Parlament nimmt diesen Kampf ernst und es wird in dieser Frage nicht nachgeben, bis es eine vernünftige und für die Bürger zufriedenstellende Lösung gibt."

Hintergrund:                    

·         Abstimmungsergebnis im Plenum: 483 für den Bericht, 141 dagegen, 34 Enthaltungen.

·         Der Bericht thematisiert die Geschichte, die Probleme und die Auswirkungen der Pendelei zwischen Brüssel und Straßburg, die dem Parlament durch die Verträge seit Jahrzehnten aufgezwungen wird

·         Alle Versuche, daran etwas zu ändern, scheiterten bisher an der vertragsrechtlichen Situation und dem Widerstand Frankreichs und Luxemburgs.

·         Der Sitz aller EU-Institutionen ist in Artikel 341 des EU-Vertrages sowie im Protokoll Nr. 6 (von 1992) festgeschrieben: Das Europäische Parlament hat seinen offiziellen Sitz in Straßburg, wo 12 Plenartagungen im Jahr stattfinden. Zusätzliche Plenartagungen und alle Ausschusssitzungen finden in Brüssel statt. Das Sekretariat sitzt in Luxemburg. 

·         Der Lissabonvertrag erlaubt es dem Europäischen Parlament, mit eigenen Vorschlägen ein Verfahren zur Änderung der Verträge einzuleiten.

·         Das Ziel des Berichtes ist es mithilfe dieses neuen Verfahrens dem Parlament nun das Recht zu geben selbst über seinen Sitz und seinen Kalender zu entscheiden.

·         Frankreich kann dieses Verfahren nicht blockieren, da mit einfacher Mehrheit im Rat abgestimmt wird.

·         In keinem Land der Welt sind die beiden gesetzgebenden Kammern räumlich so weit voneinander entfernt. Im Falle der EU liegen die Sitze von Rat und Parlament 435 km auseinander. Im Vergleich dazu sind die Distanzen in den Mitgliedsstaaten minimal, z.B. 2,2 km in Frankreich oder 1,5 km in Deutschland. In einer ganzen Reihe von Mitgliedsstaaten (Großbritannien, Niederlande, Belgien) sind beide Kammern sogar im selben Gebäude untergebracht.

·         Die Kosten des monatlichen Hin und Her zwischen den zwei Arbeitsorten schätzt der Haushaltsausschuss des EP auf 156-204 Millionen Euro.

·         Die Staats- und Regierungschefs der EU halten ihre Gipfeltreffen mittlerweile nicht mehr im Land der rotierenden Ratspräsidentschaft, sondern ausschließlich in Brüssel ab – blockieren aber eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Parlaments.

·         Während der Plenarsitzungen in Straßburg ist das Parlament nicht nur von EU-Kommission und Rat isoliert, sondern auch von der Zivilgesellschaft, den Vertretungen der Mitgliedsstaaten und den Hunderten von Journalisten, die alle in Brüssel sind.

·         78% aller Dienstreisen der Mitarbeiter des Parlaments finden zwischen den drei Arbeitsorten statt.

·         Die Räumlichkeiten in Straßburg werden nur an 42 Tagen im Jahr benutzt – stehen also 89% des Jahres leer. 

Mit dem Bericht verpflichtet sich das EP, einen Europäischen Konvent zu fordern, der entsprechende Änderungen der Europäischen Verträge vorschlägt und dem Parlament das Recht einräumt, künftig über alle Fragen seiner Selbstorganisation, seiner Arbeitsweise, seines Sitzes und Arbeitsortes sowie seines Kalenders selbst zu entscheiden.

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