Neue Vorschläge zu Economic Governance
Notwendig, aber einseitig
Die EU-Kommission stellt heute zwei neue Verordnungen im Bereich Economic Governance zur stärkeren Haushaltskontrolle vor. Eine Verordnung enthält neue Regeln für Mitgliedsländer, die Finanzhilfen im Rahmen des Rettungsschirms erhalten. Ein zweiter Vorschlag gilt für alle Staaten der Eurozone, die sich im Defizitverfahren befinden.
Zu den vorliegenden Entwürfen erklärt Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament sowie Schattenberichterstatter der Grünen für die Verordnung der Mitgliedsländer unter dem Rettungsschirm:
"Es ist notwendig, dass die Mitgliedsstaaten der Eurozone ihre Schulden abbauen und ihre Staatshaushalte in Ordnung bringen. Deshalb sind weitreichende Vorschläge zur verstärkten Kontrolle und Koordinierung der mitgliedsstaatlichen Haushaltspolitik durch die Kommission sinnvoll.
Mit den Vorschlägen führt die Kommission allerdings ihre einseitige, gescheiterte Strategie fort. Aus Sicht der Behörde kann die Eurozonen-Krise hauptsächlich dadurch gelöst werden, dass die Mitgliedsstaaten strikt sparen und die Kommission die mitgliedsstaatliche Haushaltspolitik stärker überwacht. Die gegenwärtige fundamentale Krise kann jedoch nicht nur durch Sparen und Kontrolle gelöst werden. Damit die Mitgliedsstaaten im Defizitverfahren und unter dem Rettungsschirm wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen, muss auch die staatliche Einnahmeseite gestärkt werden. Dazu müssen die europäischen Steuersysteme harmonisiert werden. Die Länder mit Leistungsbilanzüberschüssen müssen ihre Nachfrage erhöhen. Eurobonds würden spar- und reformwilligen Mitgliedsstaaten Luft zum Atmen bei Finanzierung ihrer Schulden geben, die sie angesichts der angespannten Lage auf den Finanzmärkten dringend benötigen. Deshalb begrüßen wir die Eurobonds-Vorschläge der Kommission. Ganz kurzfristig wird jedoch an einer stärkeren Rolle der EZB kein Weg mehr vorbei führen.
Wenn die Haushaltspolitik der Mitgliedsstaaten, wie in den Vorschlägen geplant, zukünftig stärker von der Kommission überwacht werden soll, verschärft sich auch das Demokratiedefizit der aktuellen Krisenpolitik. Die EU-Behörde ist bereits heute nur sehr begrenzt gegenüber den europäischen Bürgern rechenschaftspflichtig ist. Schritte wie ein spezieller Ausschuss des Europaparlaments für Eurofragen mit weitgehenden Kontrollrechten sind deshalb notwendig, um die Position der Bürger gegenüber den Kommissionsentscheidungen zu stärken."