EU-Gipfel
In großer Not wieder nur das Allernotwendigste entschieden
Zum Ergebnis des EU-Gipfels erklären Rebecca Harms und Dany Cohn-Bendit, Ko-Vorsitzende der Fraktion die Grünen/EFA im Europäischen Parlament:
„Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich auf das Minimum an Maßnahmen geeinigt, um in letzter Minute die sich rasant verschärfende Eurokrise vorerst zu bremsen. Die Entscheidung, Bankenhilfen direkt aus den Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM zu gewähren und auch den Aufkauf von Staatsanleihen reformwilliger Mitgliedsländer durch die Rettungsfonds über die EZB zu ermöglichen, ist richtig.
Diese Entscheidung könnte kurzfristig den Zinsdruck von Ländern wie Spanien und Italien nehmen und den Teufelskreis zwischen Banken- und Staatsverschuldung brechen, was ein wichtiger Schritt nach vorne wäre.
Auch die Einführung einer genuin europäischen Bankenaufsicht, die bei der Europäischen Zentralbank angesiedelt werden soll, ist ein wichtiger Schritt für die nun begonnene Neuaufstellung der Eurozone.
Aber auch diese Gipfelbeschlüsse verschaffen der Eurozone wieder nur eine Atempause, der Euro ist noch lange nicht gerettet. Vor der Frage der Bankenlizenz für den ESM und dessen Erweiterung, der Einrichtung eines Schuldentilgungsfonds oder der langfristigen Einführung von Eurobonds haben sich die Staats- und Regierungschefs wieder gedrückt. An der Schaffung einer echten Fiskalunion, einer Bankenunion, die nicht nur gemeinsame Aufsicht, sondern auch gemeinsame Einlagensicherung und Abwicklung maroder Banken umschließt, und einer politischen Union führt kein Weg vorbei. Dafür brauchen wir rasch einen glaubwürdigen Fahrplan.
Ein schweres Manko der beschlossenen Maßnahmen ist die schwache demokratische Kontrolle. Das Europäische Parlament und auch die nationalen Parlamente müssen sich vehement dagegen wehren, weiterhin nur im Nachhinein die Entscheidungen der Staats- und Regierungschefs abnicken zu können.
Nur mit Sparprogrammen der Staaten ist kein Weg aus der Krise zu finden. Es bedarf massiver Investitionen, um die Wirtschaft zu beleben und Arbeitsplätze zu schaffen. Der beim Gipfel beschlossen Wachstumspakt ist da aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Er sieht kein neues Geld vor, sondern nur die Umwidmung bestehender Mittel in den Strukturfonds. Und ob durch die Kapitalerhöhung der Europäischen Investitionsbank in den nächsten Jahren die erhoffte Investitionswelle ausgelöst wird, ist fraglich. Auf die Nachhaltigkeit der Projekte wird überhaupt nur oberflächlich wert gelegt, obwohl mit der Konzentration auf Energie- und Rohstoff sparende Maßnahmen relativschnell europaweit Hunderte von Millionen Euro an Rohstoffimporten eingespart werden könnten.
Wir begrüßen, dass Jean-Claude Juncker als Präsident der Euro-Gruppe im Amt bleibt. Er hat nun die Verantwortung, mittelfristig die Ideen für eine tiefere politische Union - wie im "EMU"-Papier der vier Präsidenten beschrieben - weiterzuentwickeln und umzusetzen. Das Europäische Parlament sollte nun die Einberufung eines neuen Europäischen Konvents beschließen, der die Vorschläge des Papiers von Ratspräsident van Rompuy, EZB-Präsident Draghi, EU-Kommissionspräsident Barroso und dem Präsident der Euro-Zone Juncker diskutiert und die notwendigen Vertragsänderungen vorbereitet."