EU-Gipfel
Kampf gegen Steuerflucht und Steuerbetrug verschoben - Rolle rückwärts in der Energiepolitik
Zum Ergebnis des heutigen EU-Gipfels erklärt Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen/EFA im Europäischen Parlament:
"Dieser Gipfel hätte überfällige Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung auf den Weg bringen sollen, hat aber alle konkreten Entscheidungen auf Dezember verschoben. Stattdessen wurde das Treffen von einer völlig fehlgeleiteten Debatte über die europäische Energiepolitik überschattet. Mit diesen Gipfelbeschlüssen stoßen die EU-Staats- und Regierungschefs die Tür auf für die Rückkehr ins Zeitalter der fossilen Energien. Die mögliche Förderung von Atomenergie und von Schiefergas steht im absoluten Widerspruch zu allen bisherigen Bekenntnissen zu Klimaschutz und erneuerbaren Energien.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sorgt mit Hilfe ihres EU-Kommissars in Brüssel, Günter Oettinger, dafür, dass die Energiewende im eigenen Land und der geplante Atomausstieg ihren Sinn verlieren. Nur wenn die Energiewende europäisch gedacht wird, hat sie Chance auf Erfolg.
Das nun als Wunderwaffe gegen hohe Energiepreise gepriesene Schiefergas ist keine Lösung für die Energieprobleme der EU. Diese Energieform ist nicht nur gesundheitlich und ökologisch sehr risikoreich und bei der Bevölkerung unbeliebt, auch ihre Wirtschaftlichkeit ist sehr fraglich. Der Boom in den USA hat oft mehr neue Probleme geschaffen, als alte gelöst. Wir sollten in Europa nicht in dieselbe Falle tappen.
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben viel zu spät das massive Problem der Steuerflucht und des Steuervermeidung erkannt, dennoch konnten sie sich heute nicht auf die dringend notwendigen Maßnahmen einigen. Sie lassen sich beim Automatischen Informationsaustausch weiterhin von Österreich und Luxemburg an der Nase herumführen. Diese interne Blockade hält auch den globalen Fortschritt im Kampf gegen Steuerflüchtige wie Bayernchef Hoeness und Ex-Minister Cahuzac (Frankreich) auf.
Bei der Unternehmensbesteuerung wird zwar auf einige wichtige Maßnahmen verwiesen. Zur Konkretisierung der Reform der relevanten Gesetzestexte, sowie zur Verankerung von umfassenden Transparenzregeln in der EU-Gesetzgebung ist das Europaparlament schon seit Jahren bereit, oft grünen Positionen folgend. Bisher allerdings sind diese Reformen trotz hehrer Versprechen am bitteren Widerstand der Mitgliedstaaten gescheitert. Und von einer europäischen Blacklist aller Steueroasen sind wir so weit entfernt wie zuvor.
Leider hat der heutige Gipfel das Tor für Nichtumsetzung einer Reihe dringend notwendiger Maßnahmen zu weit offen gelassen (1). Das Europaparlament und der Ministerrat müssen schleunigst dafür sorgen, dass den vagen Ankündigungen konkrete Taten folgen."
Anmerkung:
(1) Zu diesen Maßnahmen gehören insbesondere:
- Eine Einigung auf eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage, und bis zu deren Umsetzung eine Fast-Track Reform der Mutter-Tochter- sowie Lizenzgebühren-Richtlinien, um die Steuertricks multinationaler Unternehmen und die doppelte Nicht-Besteuerung zu bekämpfen.
- Eine viel größere Transparenz bei den Unternehmensbilanzen und eine Verpflichtung aller Branchen, detaillierte Länderberichte vorzulegen, mit Sanktionen für die Unternehmen, die Steuervermeidung betreiben.
- Ein öffentliches Register aller nutznießenden Eigentümer von Scheinfirmen, Trusts und anderen Gesellschaften, um die durch "offshore leaks" publik gewordenen skandalösen Steuerkarusselle zu stoppen. Die vom Rat vorgesehene Identifikation ist nicht ausreichend, wenn der öffentliche Zugang zu den Informationen nicht gewährleistet ist.