EU-Erweiterung
Fortschritt mit Schattenseiten
Die Europäische Kommission hat heute die Fortschrittsberichte der EU-Beitrittskandidaten sowie der im EU-Annäherungsprozess befindlichen Länder abgegeben. Franziska Brantner, außenpolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion, und Ulrike Lunacek, Kosovo-Berichterstatterin für das EU-Parlament zum Befund der Kommission über die Staaten des Westlichen Balkans und im Besonderen des Kosovo:
Die größten Hindernisse und Schwierigkeiten für den EU-Erweiterungsprozess am Westbalkan sind die organisierte Kriminalität,Korruption und die mangelhaft ausgestaltete Rechtsstaatlichkeit in jedem der einzelnen Länder. Das zeigen die heute präsentierten Fortschrittsberichte sehr deutlich. In den einzelnen Staaten des Westbalkans mag es dabei graduelle Unterschiede geben, das Problem ist jedoch überall virulent und es bedarf noch in allen Staaten massiver Anstrengungen, um dem Rechtsstaatsprinzip zum Durchbruch zu verhelfen. Konkret muss beispielsweise Serbien das Verfahren zur Wiederernennung von Richtern reformieren, um die Unabhängigkeit der Justiz zu gewährleisten. Außerdem muss Belgrad endlich voll mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammenarbeiten.
Aber auch die EU selbst und vor allem die Mitgliedsstaaten müssen sich bei diesem Befund fragen lassen, was sie für den Aufbau eines adäquaten Justiz- und Exekutivapparats in den Ländern des Westbalkans beitragen. So sollte zum Beispiel die EU-Rechtsstaatsmission EULEX im Kosovo die Anzahl ihrer RichterInnen signifikant erhöhen.
Neben diesen bestehenden Hindernissen sind die in den einzelnen Berichten genannten Fortschritte in gesellschaftlichen wie politischen Bereichen nicht gering zu schätzen. Erfreulich ist, dass die Fortschritte des Kosovo in den Bereichen Dezentralisierung und Demokratisierung im Kommissionsbericht gewürdigt werden. Auch dem neu geschaffenen kosovarischen Ministerium für EU-Integration wird in dem Bericht ein guter Start zugesprochen. Die Anstrengungen im Justizbereich, vor allem die personelle Aufstockung bei RichterInnen und StaatsanwältInnen, werden ebenfalls lobend erwähnt angesichts der Fülle an Herausforderungen besteht jedoch die Sorge, dass Kosovo hier hinter den Erwartungen zurück bleibt.
Entscheidend für den weiteren EU-Annäherungsprozess am Westbalkan ist, dass die in der EU grassierende Erweiterungsmüdigkeit nicht in eineReformmüdigkeit in den Kandidatenländern umschlägt. Die EU muss dabei weiterhin auf ihr bewährtes Konditionalitätsprinzip setzen. Das Beispiel Kroatien zeigt, dass sich die Anstrengungen für die einzelnen Länder, aber auch die EU als Ganzes lohnen. Der Westbalkan gehört als Gesamtes in die Union. Es dürfen keine Schwarzen Löcher auf der Landkarte bleiben. Denn gegen Organisierte Kriminalität und Korruption helfen keine Grenzen. Deswegen ist Erweiterungspolitik in hohem Maße Sicherheitspolitik, und die heutigen Fortschrittsberichte sind Wegweiser, in welchen Bereichen die EU und die Kandidatenländer noch mehr für ein gemeinsames sicheres Europa tun müssen."