Economic Governance-Paket
Unzureichendes Ergebnis mit Licht und Schatten
Das Europaparlament hat heute das Economic Governance-Paket im Plenum verabschiedet. Es besteht aus sechs Berichten und ist auch als 6pack oder "Rehn-Vorschläge" bekannt. Zwei Berichte (Ferreira, Haglund) schaffen gesetzliche Rahmenbedingungen zum Umgang und Abbau von volkswirtschaftlichen Ungleichgewichten. Der Ford-Bericht soll die Transparenz der mitgliedsstaatlichen Haushaltsdaten verbessern und somit deren Manipulation verhindern. Drei weitere Berichte (Wortmann-Kool, Feio und Goulard) reformieren den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Der ECOFIN-Rat hat bereits sein Einverständnis zum Paket verdeutlicht, deshalb gilt sein für den 4. Oktober anstehender Beschluss als Formsache.
Zum Economic Governance Paket erklärt Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europaparlament:
"Wir unterstützen eine ehrgeizige europäische wirtschaftliche Steuerung, die Solidarität und Verantwortung gemeinsam verfolgt.
Das ist bei den Berichten zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten (Ferreira, Haglund) gelungen. Es ist zu begrüßen, dass sowohl Mitgliedsländer mit Überschüssen, als auch Staaten mit Defiziten einen Beitrag zum Abbau der volkswirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa leisten müssen und bei Nichthandeln sanktioniert werden können. Insbesondere Deutschland wird nun gefordert sein, durch Mindestlöhne, faire Lohnabschlüsse und Zukunftsinvestitionen zur Verringerung des Ungleichgewichts zwischen exportstarken und exportschwächeren Mitgliedsstaaten beizutragen.
Der Ford-Bericht verbessert die Transparenz der mitgliedsstaatlichen Haushaltsdaten, da er striktere Regeln sowie Analyse durch unabhängige Institute vorschreibt.
Diese drei Berichte sind unterstützenswert, da sie effektive Ansätze zur Überwindung der wirtschaftlichen Ungleichgewichte und Verbesserung der mitgliedsstaatlichen Haushaltsdisziplin darstellen.
Wir Grüne sind für verbindliche Grenzen für öffentliche Schulden und für einen schärferen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Ebenso ist es notwendig die Schuldenquote zu reduzieren. Die drei Berichte zur Reform des Paktes verschärfen richtigerweise die Haushaltsdisziplin der EU-Länder. Sie sind jedoch auf der staatlichen Einnahmeseite blind und setzen einseitig auf Ausgabenkürzungen, um Staatsschulden zu verringern. Mit diesem Weg werden die Lasten der Haushaltskonsolidierung vor allem auf den Schultern der Mittelschicht, Geringverdiener und Armen abgeladen. Außerdem drohen Zukunftsinvestitionen wie Bildung und erneuerbare Energien im Rahmen eines Grünen New Deals unter die Räder der einseitigen Konsolidierung zu geraten.
Die dramatische Lage in den südeuropäischen Krisenländern verdeutlicht die Auswirkungen dieser einseitigen Austeritätspolitik: In Griechenland, und Portugal ist die Arbeitslosigkeit von 2008 bis 2010 stark angestiegen, in Spanien hat sie sich im Vergleich zum Vorkrisen Niveau von rund 11% (2008) fast verdoppelt auf rund 20% (2010). Außerdem leben in Griechenland und Portugal mittlerweile 20% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. In Spanien ist die Anzahl an Menschen, die mit weniger als 530 Euro monatlich auskommen müssen, innerhalb von drei Jahren um eine Million, auf über 9 Millionen, angewachsen.
Wir Grüne haben einen Ausweg aus diesem Dilemma vorgeschlagen: Die EU 2020-Ziele mit ihren Schwerpunkten Armutsbekämpfung, Klimaschutz und Bildung müssen genauso verbindlich werden, wie die Vorgaben an die Mitgliedsstaaten zur Senkung ihrer Schulden. Die Lage in den Krisenstaaten mit steigender Arbeitslosigkeit und Armut verdeutlicht, dass nur Sparen nicht aus der Krise hinausführt, sondern Investitionen in die zuvor genannten Schlüsselsektoren und soziale Balance notwendig sind.
Eine Mehrheit aus Konservativen, Liberalen und Euroskeptiker hat diesen Vorschlag der gleichen Verbindlichkeit von EU 2020-Zielen und Defizitkriterien jedoch abgelehnt und damit eine nachhaltige Reform zu effektiven Lösung der Krise verhindert. Das Economic Governance-Paket verschärft daher eine gescheiterte Austeritätsstrategie.
Mit der Verabschiedung dieses Pakets hat die konservativ-liberale Mehrheit im Europaparlament eine große Chance für einen Beitrag zu einer effektiven und nachhaltigen Lösung der Eurozonen-Krise vergeben."