EU-Reisende unter Generalverdacht
Neue Datensammlung
Heute (Mittwoch, 25. Oktober 2017) finden die abschließende Debatte und Abstimmung zur neuen Datensammlung über Reisende in die EU statt (Entry/Exit-System, kurz EES - 1). Ein aktuelles Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass das Ein- und Ausreisesystem in seiner jetzigen Form gegen die EU-Grundrechte verstößt. Das Gutachten stützt sich dabei auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, der die Speicherung von Fluggastdaten durch kanadische Behörden im Juli 2017 über den Reisezeitraum hinweg für unverhältnismäßig und rechtswidrig erklärt hat. Der innen- und justizpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Jan Philipp Albrecht, erklärt dazu:
„Rechtswissenschaftler erheben erhebliche Zweifel, ob das vorgeschlagene System mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vereinbar ist. Dennoch will ihm eine Mehrheit des Europäischen Parlaments in dieser Form zustimmen. Dem Ein- und Ausreisesystem stünde dann das gleiche Schicksal bevor, wie dem Fluggastdatenabkommen mit Kanada und der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die der Gerichtshof mit klaren Worten als grundrechtswidrig verworfen hat. Das Parlament sollte dieses Mal ein besseres Gespür für die Grenzen staatlicher Überwachung beweisen und Nachverhandlungen mit dem Rat beschließen.
Das Ein- und Ausreisesystem ist eine weitere sinnlose, teure und unverhältnismäßige Datensammlung. Mit ihr werden reguläre Reisende, wie Touristen und Geschäftsleute, unter Generalverdacht gestellt, ohne dass es dabei einen nachgewiesenen Mehrwert für die Grenz- und Sicherheitsbehörden gibt. Statt Milliardensummen in die Sammlung völlig irrelevanter Informationen über unverdächtige Reisende zu stecken, muss der Informationsaustausch im Rahmen des bereits zu denselben Zwecken errichteten Schengener Informationssystems verbessert und mehr Personal für die Verfolgung von Verdächtigen und Risikopersonen geschaffen werden."
- Das System soll anlasslos und verdachtsunabhängig bei jeder Ein- und Ausreise die Passdaten, Fingerabdrücke und Gesichts-Scans aller Drittstaatsangehörigen erfassen, die regulär in die Europäische Union reisen. Die Daten sollen bis zu vier Jahren gespeichert und den Polizei und Sicherheitsbehörden zugänglich gemacht werden. Die heute abgestimmte finale Einigung zwischen Europäischem Parlament und Rat wird vor allem Touristen und Geschäftsleute betreffen. Die Kosten liegen nach Schätzungen bei einer Milliarde Euro.
Hintergrund:
Die Datenbankagentur EU-LISA in Tallinn soll die Daten für die Dauer von drei Jahren speichern, die Daten von Reisenden mit abgelaufenem Visum („Overstayers“) sogar für vier Jahre. Zugriff auf die Daten haben EU-weit Strafverfolgungs- und Grenzbehörden. Mit dem Schengener Informationssystem können bereits heute von Polizei und Sicherheitsbehörden die Passdaten aller Reisenden mit den Informationen über Verdachts- und Risikoanlässe abgeglichen werden. In diesem System werden allerdings nicht die Daten unverdächtiger Reisender gespeichert.
Die Studie im Auftrag der Grünen Europafraktion legt nahe, dass das neue System im Lichte des jüngsten EuGH-Gutachtens gegen die EU-Grundrechte verstößt
Eine Studie im Auftrag des Europäischen Parlaments veranschlagt die Kosten für das neue System mit einer Milliarde Euro (S. 21)
Finale Aussprache und Abstimmung heute ab 9 Uhr im Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg (mit Livestream)