Zweierpaket
Einigung auf bessere Regeln für Krisenländer und Rückenwind für den Schuldentilgungsfonds
In Trilogverhandlungen haben sich Europaparlament, Rat und Kommission heute (20.02.2013) bezüglich des Economic Governance-Zweierpakets ("Two-Pack") geeinigt.
Die offizielle Zustimmung des Rates zur Verordnung steht noch aus, ist aber aufgrund des erzielten Kompromisses sehr wahrscheinlich. Die erste Verordnung (Ferreira-Bericht) gestaltet die Regeln für die Mitgliedsstaaten im Defizitverfahren aus. Die zweite Verordnung definiert erstmals Regeln für Länder unter den Rettungsschirmen (Griechenland, Portugal und Irland) (Gauzès-Bericht) (1). Dieses Gesetzespaket ergänzt die letzte Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (sog. Sixpack).
Das Ergebnis der Einigung erklärt Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament und Schattenberichterstatter zum Gauzès-Bericht:
“Die heute erzielte Einigung zum Zweierpaket verbessert die Rahmenbedingungen für eine europäische Wirtschaftspolitik (Economic Governance). Der Kompromiss gleicht mehrere Schwächen des sog. Sixpacks aus. Die Regeln für Krisenländer kommen aus der rechtlichen Grauzone heraus und werden demokratischer und sozialer. Zudem unterstützt die Einigung das effektive Instrument des Schuldentilgungsfonds. Deshalb ist der gefundene Kompromiss ein Schritt nach vorn.
Nach einer monatelangen Blockade des Zweierpakets durch eine Ampel-Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen im Europaparlament hat die Kommission ihre Absicht erklärt, zentrale Vorhaben zur Überwindung der Eurozonenkrise voranzutreiben. Eine Expertengruppe soll in den nächsten 12 Monaten Wege zur Einführung des Schuldentilgungsfonds und kurzfristigen Euro-Anleihen (“Eurobills”) ausloten, gekoppelt an strenge Auflagen. Die Gruppe soll auch ausarbeiten, wie die demokratische Kontrolle der europäischen Wirtschaftspolitik verbessert werden kann. Die Kommission wird zudem untersuchen, wie öffentliche Investitionen mit positiver Wirkung auf die Schuldenentwicklung mit den notwendigen Sparanstrengungen vereinbart werden können. Expertenkommissionen haben schon bei der Liikanen- und der De Larosière-Gruppe großen Einfluss auf die Krisenpolitik der EU genommen.
Außerdem hat die Kommission zugesagt, ihren Aktionsplan zur Bekämpfung von Steuerflucht, insbesondere die Überarbeitung der relevanten Richtlinien, zu forcieren. Damit hat sie sich ein Stück auf zentrale Grüne Forderungen zubewegt und ihren bisherigen Tunnelblick auf Sparmaßnahmen beim Sixpack zumindest etwas erweitert.
Über diese Zusagen hinaus konnte das Europaparlament zahlreiche demokratische und soziale Verbesserungen in den beiden Gesetzestexten verankern, darunter auch viele Grüne Vorschläge.
Der Ferreira-Bericht verbessert die Berichterstattung über die Haushaltspolitik der Mitgliedsstaaten. Er verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Einrichtung neutraler Institutionen zur Überwachung ihrer Haushaltspolitik. Außerdem müssen Mitgliedsstaaten zukünftig offenlegen, wie ihre Sparpläne die Umsetzung der EU 2020-Ziele (z. B. Armutsbekämpfung und Klimaschutz) beeinflussen.
Der Gauzès-Bericht schafft spezielle Vorgaben für derzeitige und zukünftige Krisenländer unter dem Rettungsschirm und ergänzt damit das eher starre Regel-Korsett des Sixpack für mehr Transparenz, Mitbestimmung und Effektivität. Der Bericht strafft die Regeln zur Haushaltskonsolidierung für die Krisenstaaten. Demnach soll die Kommission bei ihrer Beobachtung wirtschaftliche Einflüsse auf ein Krisenland, die ihre Ursachen in einem anderen Mitgliedsstaat haben (sog. Spillover-Effekte), verstärkt berücksichtigen. Zudem müssen Mitgliedsstaaten, die finanzielle Unterstützung erhalten, ausführlich über ihre Haushaltsplanung Rechenschaft ablegen, bis sie mindestens drei Viertel der finanziellen Unterstützung zurückerstattet haben. Mehrere Punkte ergänzen die notwendigen Regeln zur Haushaltskonsolidierung: Der Grüne Vorschlag für besonderen Schutz von Ausgaben für Bildung und Gesundheitsversorgung im Rahmen der Einsparungen wurde aufgenommen. Außerdem müssen die Mitgliedsstaaten bei ihren Reformprogrammen national etabilierte Lohnfindungsmechanismen berücksichtigen. Leider konnte das Instrument der Partnerschaftsabkommen zur Kooperation von Mitgliedsstaaten und Kommission zur Mobilisierung finanzieller Mittel für Investitionen nicht im Gauzès-Bericht untergebracht werden. Auch eine genauere Analyse der sozialen Folgen der Maßnahmen eines Anpassungsprogramms scheiterte an den Mitgliedsländern, ist aber im Ferreira-Bericht in anderer Form verankert.
Die Kommission ist nun verpflichtet, die Vorsitzende und ihre Stellvertreter im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments über Fortschritte bei der Erstellung und Aktualisierung eines Anpassungsprogramms zu informieren (2). Diese Maßnahme soll eine aktivere Rolle des demokratisch legitimierten Parlaments in der Diskussion um Spar- und Reformmaßnahmen ermöglichen.
Außerdem wird zivilgesellschaftlichen Organisationen und Sozialpartnern das Recht auf Stellungnahmen zu den Reformprogrammen eingeräumt. Damit schließt der Gauzès-Bericht eine Lücke des Sixpack und etabliert gleichzeitig Standards zur Rechenschaftspflicht, die beim Internationalen Währungsfonds (IWF) bereits praktiziert werden. Diese Punkte sollen direkt nach Inkrafttreten der Verordnung in den Krisenländern anwendbar sein und können einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung dieser Länder leisten.
Die vielen Verbesserungen im Text rechtfertigen, auch der Grünen Fraktion eine Zustimmung zum Zweierpaket zu empfehlen. Das ändert nichts an unserer kritischen Haltung zu den einseitig auf Austerität ausgerichteten Programmen in den Krisenländern. Es ist jedoch innerhalb des Parlaments besser, in Verhandlungen Veränderungen durchzusetzen, statt durch symbolisches Abstimmungsverhalten letztlich machtlos zu werden.”
(1) Detaillierte Informationen zum finalen Kompromiss zum Zweierpacket (Two-Pack) finden Sie unter: http://bit.ly/Xoy6d2
(2) Die Erklärung der EU-Kommission finden Sie hier: http://bit.ly/W39Lyp