Aktionsprogramm gegen Steuerflucht
Unternehmensbesteuerung harmonisieren und Schlupflöcher schließen
Heute hat das Europaparlament erstmals einen Aktionsplan verabschiedet, um konsequent gegen Steuerflucht in der EU vorzugehen. Das Parlament stimmte zum einen über Änderungsvorschläge zum Kommissionsvorschlag für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsbemessungsgrundlage (GKKB) ab. Die Abgeordneten fordern ein Ende des Steuerwettbewerbs zu Lasten der öffentlichen Haushalte und die verbindliche Einführung der GKKB für alle grenzüberschreitenden Unternehmen, die nicht als kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eingestuft werden.(1) Zum anderen nahm eine breite Mehrheit eine Entschließung mit Forderungen an Rat und Kommission nach konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung an. Darin verlangen sie ein Ende des Bankgeheimnisses und zeitnahe Schritte zur Unterbindung von aggressiven Steuergestaltungen. (2)
Zum Entschließungsantrag erklärt Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:
“Heute ist ein guter Tag für ehrliche Steuerzahler und ein schlechter Tag für Steuerhinterzieher und die Steuergestaltungsindustrie. Das Europaparlament fordert das Ende des steuerlichen Bankgeheimnisses und ein Aktionsprogramm gegen aggressives Steuerdumping. Angesichts leerer öffentlicher Kassen und hoher Schulden kann so mehr Gerechtigkeit in die Krisenprogramme der EU-Staaten einkehren. Für mich persönlich ist das 10 Jahre nach Mit-Gründung des Tax Justice Network auch ein persönlicher Freudentag.
In der Unternehmensbesteuerung muss die Europäische Kommission nun schnell konkrete Maßnahmen auf den Weg bringen, um die Steuerschlupflöcher zu schließen. Die Mutter-Tochter-Richtlinie und die Zinsen- und Lizenzgebühren-Richtlinie müssen gründlich überarbeitet werden, damit „hybride Steuersubjekte“ und bestimmte Finanzinstrumente nicht weiterhin für Doppel-Nicht-Besteuerungsmodelle eingesetzt werden können. Weitergehende Forderungen wie Europäische Mindeststeuersätze scheiterten am Widerstand von Konservativen (EVP) und Liberalen (ALDE), die in diesem Bereich weiterhin dem Steuerwettbewerb huldigen.
Zur gleichmäßigen Besteuerung von Kapitaleinkommen von Privatpersonen fordert das Europaparlament die Ausweitung des automatischen Informationsaustausches und die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Zinsrichtlinie. Klar wird das Ende des Bankgeheimnisses gefordert. Wir lehnen damit die Versuche der Bundesregierung ab, als alternatives Modell Abgeltungssteuern in Verbindung mit Steueramnestie zu etablieren.
Das beschlossene Programm ist zwar rechtlich unverbindlich, kann aber ähnlich wie der Beschluss des Europaparlaments für eine EU-Finanztransaktionssteuer politischen Druck entfalten. Seit langem schieben sich die Mitgliedsstaaten in Steuerfragen gegenseitig den 'Schwarzen Peter' zu, um ihre jeweiligen Steuer-Privilegien zu verteidigen. Besonders unangenehm fallen hier die Niederlande, Österreich, Luxemburg und Irland auf. Deutschland und die anderen von diesem Blockadeverhalten geschädigten Staaten dürfen nicht länger warten.
Das Versprechen, im durch die Bundesregierung forcierten Fiskalpakt, Fortschritte bei der Steuerkoordinierung zu machen, muss eingelöst werden. Die Mitgliedsländer sollten nach einem möglichen erneuten Scheitern von echten Fortschritten bei der EU-Steuerkooperation auf das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit setzen und ihre Steuersysteme harmonisieren. Gemeinsam können die kooperierenden Länder dann glaubwürdig Druck auf Steueroasen und Steuerdumping machen.”
Das Abstimmungsergebnis zum Gesetzgebungsvorschlag für eine GKKB kommentiert Sven Giegold:
“Die klare Empfehlung des Europaparlaments zur verbindlichen Einführung der GKKB ist ein wichtiger Schritt zur Harmonisierung von direkten Steuern im Binnenmarkt. Die GKKB vereinfacht das europäische Steuersystem und baut so Verwaltungskosten ab. Die GKKB führt auch zu faireren Wettbewerbsbedingungen zwischen transnationalen Unternehmen und regional tätigen, oft kleineren Firmen. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene optionale Einführung der GKKB reicht nicht aus. Das würde nur ein 28. Steuerregime für die Großunternehmen einführen. Relevante Mehreinnahmen kämen so nicht zustande.
Die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich zur Vereinheitlichung der Unternehmensbesteuerung sind ein Schritt in die richtige Richtung, der auch in anderen Ländern und der Wissenschaft für Beifall gesorgt hat. Schäuble muss jetzt alles daran setzen, den Schwung aus dem Europaparlament in die Verhandlungen im Rat mitzunehmen. Dort liegt die Diskussion derzeit auf Eis, weil die Mitgliedstaaten sich an Details aufreiben anstelle gemeinsam am Schutz ihres Steueraufkommens zu arbeiten.”