Urheberrecht
Rechtsausschuss fordert ambitionierte EU-Urheberrechtsform
Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat an diesem Dienstag den Initiativbericht von Julia Reda, Europaabgeordnete der Piratenpartei und stellvertretende Vorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion, zur Evaluation der EU-Urheberrechtsrichtlinie mit breiter Mehrheit angenommen. Der Bericht und die mehr als 550 Änderungsanträge waren über Monate intensiv diskutiert worden.
Julia Reda kommentiert das Ergebnis:
"In diesem Bericht geht das Europaparlament weit über die Pläne der EU-Kommission zur Digitalen Binnenmarktstrategie hinaus. Das Parlament erkennt an, dass eine Urheberrechtsreform notwendig ist, die nicht nur Marktbarrieren abbaut, sondern den Zugang zu Wissen und Kultur für alle Menschen in der EU verbessert. Wir rufen die Kommission in dem Bericht zu einer Reihe von Maßnahmen auf, um das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anzupassen und den grenzübergreifenden Zugang zu unserer kulturellen Vielfalt zu erleichtern.
Dieser Bericht ist ein Wendepunkt in der Urheberrechtsdebatte. Nachdem jahrzehntelang stets Ausweitungen des Urheberrechts zu Gunsten der finanziellen Interessen von Rechteinhabern diskutiert wurden, fordert das Europaparlament erstmals deutlich, dass die Interessen der Allgemeinheit in Betracht gezogen werden – jene von NutzerInnen und Nutzern, Kultureinrichtungen, ForscherInnen und Forschern sowie von Kulturschaffenden, deren Werke auf Bestehendem aufbauen. Die Rechtsunsicherheit, der sich Europäerinnen und Europäer im alltäglichen Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken in Netz ausgesetzt sehen, soll reduziert werden.
Die Urheberrechtsschranken, die solche wichtigen Rechte wie Zitat, Parodie oder Bildung und Forschung ermöglichen, sind für die Mitgliedstaaten der EU bislang optional. Der Bericht fordert nun europäische Mindeststandards für diese Rechte. Die Urheberrechtsschranken sollen an die Gegebenheiten des digitalen Zeitalters angepasst werden. Einer Aushöhlung dieser Rechte durch technischen Kopierschutz oder restriktive Vertragsklauseln soll ein Riegel vorgeschoben werden.
Der Bericht fordert einen umfassenden Schutz des Allgemeinguts, also von Werken, die nicht oder nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind. Die Kommission wird dazu aufgerufen, es Bibliotheken zu vereinfachen, e-Books über das Internet zu verleihen und ihre Bestände zu digitalisieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern soll die automatische Auswertung von Texten und Daten ermöglicht werden. Gleichzeitig fordert der Bericht eine Stärkung der Verhandlungsposition von Kulturschaffenden in Verhandlungen mit Werksvermittlern."
Ein Änderungsantrag der CDU, der die Einführung eines europäischen Leistungsschutzrechts für Presseverleger forderte, wurde vom Rechtsausschuss abgelehnt. "Es ist erfreulich, dass das Europäische Parlament nicht vorhat, die Fehler des deutschen und spanischen Leistungsschutzrechts zu wiederholen, das sich für die freie Kommunikation im Netz als verheerend erwiesen hat", bemerkt Julia Reda.
"Die breite Mehrheit für den Kompromisstext hatte ihren Preis. Ein angenommener Änderungsantrag fordert, dass kommerzielle Verwendungen von Reproduktionen von Werken im öffentlichen Raum einer Erlaubnis der Rechteinhaber bedürfen – das würde neue Rechtsunsicherheit beispielsweise für Dokumentarfilmproduktionen sowie kommerzielle Foto-Sharing-Dienste bedeuten.
Es ist weiters enttäuschend, dass viele der Forderungen, die in der Konsultation der Europäischen Kommission zum Urheberrecht großen Rückhalt bekommen haben, keine "Mehrheit im Ausschuss gefunden haben: Eine flexible, offene Schranke würde es ermöglichen, schneller auf zukünftige technologische Entwicklungen zu reagieren. Die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung aller Urheberrechtsschranken zu verpflichten würde sicherzustellen, dass Rechte im Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken nicht mehr an nationalen Grenzen enden können."
Die Plenarabstimmung über den Bericht findet am 9. Juli statt. Den Legislativentwurf für die Reform des europäischen Urheberrechts hat EU-Kommissar Günther Oettinger für Ende des Jahres angekündigt.