EU-Kommission darf Ende der Rechtsstaatlichkeit nicht durchgehen lassen
Ungarn/Rechtsstaatlichkeit
Heute (Dienstag, 4. Oktober) debattieren die Mitglieder des Europäischen Parlaments über Vorschläge der EU-Kommission zum Schutz des EU-Haushalts vor systematischer Korruption bei öffentlicher Auftragsvergabe in Ungarn im Rahmen des Konditionalitätsmechanismus zur Rechtsstaatlichkeit. Allem Anschein nach hält die EU-Kommission die von der ungarischen Regierung angekündigten Schritte zur Korruptionsbekämpfung für ausreichend, um dem Rat die Beendigung des Konditionalitätsmechanismus vorzuschlagen.
Terry Reintke, Grünen/EFA-Verhandlerin für den Konditionalitaetsmechanismus im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, kommentiert:
„Keinen Monat ist es her, da hat das Europäische Parlament Ungarn bescheinigt, dass es keine Demokratie mehr ist. Die EU-Kommission wollte den Förderhahn zudrehen und 7,5 Milliarden EU-Fördergelder streichen. Jetzt droht die Gefahr, dass sie einen Rückzieher macht und den Mitgliedstaaten empfehlen will, das Geld doch auszuzahlen.
Die EU-Kommission darf sich nicht auf das billige Theater des ungarischen Regierungschefs einlassen und schon gar nicht die Augen verschließen und das falsche Spiel mitspielen. Die EU-Kommission darf der ungarischen Regierung bloße Ankündigungspolitik nicht durchgehen lassen. Erst wenn eine gründliche Analyse ergibt, dass Ungarn alle Reformvorschläge auch dauerhaft erfolgreich umgesetzt hat, sollte die EU-Kommission über weitere Mittelvergaben entscheiden. Andernfalls gibt die Hüterin der Verträge den Hebel aus der Hand, über den Viktor Orbán sein autokratisches Regime lenkt, und das sind die EU-Fördermilliarden aus Brüssel.“
Daniel Freund, Grünen/EFA-Verhandler für den Konditionalitaetsmechanismus im Haushaltskontrollauschuss, kommentiert:
„Die Bedingungen der EU-Kommission sind viel zu schwach. Viktor Orbán und Fidesz haben die letzten zwölf Jahre damit verbracht, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu demontieren. Die EU-Kommission hat nicht eine einzige Maßnahme vorgeschlagen, die Gerichte und Staatsanwaltschaften wieder unabhängig machen würde. Ohne unabhängige Justiz und unabhängige Staatsanwaltschaft wird es keine angemessene Korruptionsbekämpfung geben. Ungarn ist keine Demokratie mehr, und die Bemühungen der EU-Kommission werden daran nichts ändern, wenn nicht entschieden gehandelt wird. Mit dem Rechtsstaatlichkeitsmechanismus verfügt die EU-Kommission über ein starkes Instrument, das sie viel zu spät und viel zu zaghaft einsetzt. Es ist absurd, dass Viktor Orbán diese Sanktionen noch vor Jahresende mit ein paar Pseudo-Reformen abwenden kann."
Hintergrund:
Plenardebatte ab 15:00 Uhr live verfolgen.
Die EU-Kommission hatte im April 2022 den Konditionalitätsmechanismus für Rechtsstaatlichkeit gegen die ungarische Regierung ausgelöst und am 18. September die Kürzung von Mitteln in Höhe von 7,5 Milliarden Euro vorgeschlagen. Die ungarische Regierung hatte eine Reihe von Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung vorgeschlagen, die jedoch ungeeignet sind, um systemische Korruption und die Vetternwirtschaft durch die Fidesz-Partei von Viktor Orbán dauerhaft zu beenden.
In der vorangegangenen Plenarsitzung haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments über den Bericht der Grünen/EFA-Abgeordneten Gwendoline Delbos-Corfield über die „Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn” abgestimmt und Ungarn den Status einer Demokratie abgesprochen.