Wird Junckers Kommission sicher und nachhaltig?
Der Grüne Europaabgeordnete Bart Staes gibt erste Einschätzungen zum Juncker Kabinett
Bist Du insgesamt zufrieden mit Junckers vorgeschlagenem Kabinett?
Nicht wirklich. Es gibt ein paar Hoffnungsschimmer, wie zum Beispiel Vorschläge zu Energieeffizienz und öffentlichen Investitionen, aber alles in allem scheint mir das noch recht mager. Ich mache mir besonders Sorgen, dass sich Juncker für das EU-US Handelsabkommen TTIP einsetzt, obwohl das sicherlich der schlechteste Weg wäre, um die Gesundheit der Menschen in Europa zu schützen, oder um unser Essen sicherer zu machen. Ich nehme ihn beim Wort, wenn er sagt, dass er weder den europäischen Verbraucherschutz, noch Gesundheitsstandards, soziale Standards und Datenschutz, oder kulturelle Vielfalt auf dem Altar des Freihandels opfern will.
Was ist deine spontane Reaktion zu Vytenius Andriukaitis als Kommissar?
Dass der vorgeschlagene Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eine medizinische Ausbildung hat, ist natürlich ein Plus. Vor allem, wenn man bedenkt, wie sich unser industrielles Nahrungsmittelsystem auf die öffentliche Gesundheit auswirkt. Ich habe aber einige Bauchschmerzen mit der Aufgabenbeschreibung, die Juncker Andriukaitis auf den Weg gegeben hat. Da wird sein Aufgabenbereich vor allem aus einer verengten, wirtschaftlichen Perspektive gesehen.
Und was ist mit den Vorschlägen zum Zuschnitt der Aufgabenbereiche Lebensmittelsicherheit und Nachhaltigkeit?
Ich bin besorgt, dass der Zuschnitt des Aufgabenbereichs zu sehr von den Interessen der großen Lebensmittelindustrie bestimmt wird, dabei sollte es eigentlich um die Gesundheit der Verbraucher und der Natur gehen. Das Portfolio Gesundheit und Verbraucherschutz ist dem Kommissionsvize für Beschäftigung, Investitionen und Wettbewerb zugeordnet - das ist schon ein starkes Stück! Zum Beispiel die Verantwortlichkeit über Medikamente wird so der Generaldirektion für Unternehmen zugeordnet. Ein weiterer Teil der Aufgabenbeschreibung sieht die "Vereinfachung von bestehender Gesetzgebung" vor. Das ist ein Euphemismus für das Zurückschrauben bestehender Standards.
Eine Sache ist vielversprechend: Die einzige klare Aufgabe, die Juncker für Andriukaitis vorgesehen hat, ist die Reform des Zulassungsverfahrens für gentechnisch veränderte Organismen. Juncker findet das derzeitige System "undemokratisch" und will es schnell verbessern. Wir werden genau darauf achten, ob er sein Versprechen hält. Dabei sollte er Acht geben, dass das gemeinsame Zulassungsverfahren nicht durch Ausstiegsklauseln für Mitgliedstaaten unterminiert wird. Es muss verpflichtend bleiben, oder würde nutzlos.
Genauso kritisch ist mein erster Eindruck, was die Rolle der EU in Sachen nachhaltiges Nahrungsmittelsystem angeht. Die alte Kommission hatte den EU-Plan zur Schaffung eines nachhaltigen Nahrungsmittelsystems schon ad acta gelegt. Ich fürchte Juncker wird den Mitgliedstaaten auch hier mehr Spielraum gönnen. Dabei gibt es klare Argumente, die für einen gemeinsamen Ansatz sprechen, zum Beispiel durch verbindliche Ziele gegen Nahrungsmittelabfälle.
Wenn Du Vytenis Andriukaitis eine Frage stellen könntest, was würdest fragen?
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Das EU-Zulassungsverfahren für GVOs - wie kann es reformiert werden, um die Zulassung von GVOs solange zu verhindern, wie eine klare Mehrheit der Bürger und der Mitgliedstaaten klar dagegen ist?
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Was soll die EU tun, wenn es um Lebensmittel aus Klonen oder ihren Nachfahren geht? Wir erwarten mindestens klare Labels und dass man den Ursprung seines Fleisches genau nachverfolgen kann.
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