WTO und Globalisierung im Dienste von Konzerninteressen - ein Überblick
Unser Zehn-Punkte-Programm für einen fundamentalen Wandel des gegenwärtigen Welthandelssystems
"Es ist an der Zeit, die Krise des internationalen Handelssystems und seiner wichtigsten Sachwalterin, der WTO, einzugestehen. Für das 21. Jahrhundert müssen wir dieses alte, unfaire und unterdrückerische System durch ein neues, sozial gerechtes und nachhaltiges Regelwerk für den Handel ersetzen."
"Our World is Not for Sale",Auszug aus der neuen "WTO: Shrink or Sink" Erklärung, unterzeichnet von einer internationalen NGO-Koalition
Einführung
Das im WTO-Abkommen von Marrakesch 1994 vereinbarte Konzept einer Welthandelsorganisation, deren Ziel die Förderung und die weitere Liberalisierung des weltweiten freien Handels ist, findet in der Fraktion der Grünen/ EFA keineswegs ungeteilte Zustimmung. Die zugrundeliegende Absicht, nämlich die Umsetzung einer ungehinderten Globalisierung im Interesse und unter starkem Einfluss von Unternehmen, steht unseren Vorstellungen von einer sozial gerechten und umweltfreundlichen, nachhaltig bewirtschafteten Welt entgegen. Desgleichen widerspricht das Konzept unserer Überzeugung, dass Entscheidungen über Wege, um diese Ziele zu erreichen, möglichst auf lokaler oder regionaler Ebene getroffen werden sollten, und dass wirtschaftliche Aktivitäten idealerweise möglichst produktions- und verbrauchernah stattfinden sollten. Die Spielräume einer Gemeinschaft, ihre sozialen und ökologischen Werte sowie ihr kulturelles System sowohl auf lokaler als auch auf regionaler und nationaler Ebene zu schützen, sind in Gefahr, wenn ein Handelssystem ungleiche Wirtschaftsteilnehmer gleich behandelt. Aus diesem Grund unterstützt die Fraktion der Grünen/ EFA des Europäischen Parlaments die eingangs zitierte "Shrink or Sink"-Erklärung der NRO, in der ein Zurückschrauben der Macht und der Befugnisse der WTO gefordert wird. Zudem verabschiedete die grünen Parteien auf ihrer Weltkonferenz in Canberra (Australien) im April 2001 eine Charta, in der sich die internationale Bewegung der Grünen dafür einsetzt, "die Abschaffung der WTO [zu unterstützen], so lange diese nicht reformiert und Nachhaltigkeit zu ihrem zentralen Ziel erklärt wird und so lange dies nicht durch transparente und demokratische Verfahren sowie durch die Beteiligung von Vertretern der betroffenen Gemeinschaften unterstützt wird."
Zurzeit stellen nur wenige Politiker und Politikerinnen in Frage, dass das erste und vorrangige Ziel einer nationalen Volkswirtschaft sei , in einem globalen Marktumfeld international wettbewerbsfähig zu sein. Dahinter steht der Gedanke, nur Wettbewerbsfähigkeit garantiere Wirtschaftswachstum, welches seinerseits soziale und umweltfreundliche Verbesserungen ermöglichen würdet. Die Tatsache, dass dies für die Mehrheit der armen Bevölkerungen niemals funktioniert hat, wird von politischen Entscheidungsträgern und Unternehmern ignoriert. Im Gegenteil in der Realität wirken sich die mit der heutigen globalisierten Wirtschaft einhergehende Unsicherheiten selbst auf die eher gut gestellten Gesellschaftsschichten in den Industrieländern aus. Immer mehr Menschen hinterfragen kritisch Ziele und Auswirkungen einer unternehmensgesteuerten Globalisierung. Wir sind der Überzeugung, dass eine sozial gerechtere und nachhaltigere Alternative aus einer Reihe ineinandergreifender politischer Massnahmen bestehen muss. Ihr Ziel muss sein, stärkere und diversifiziertere lokale Volkswirtschaften mit hohen umweltpolitischen, sozialen und demokratischen Standards zu schaffen nicht nur für Europa, sondern für alle Regionen der Welt.
Wir sind der Ansicht, dass die Interessen der benachteiligten Menschen, ob im "reichen" Norden oder im "armen" Süden, eines sehr viel stärkeren Schutzes bedürfen als im neoliberalen Freihandels-Modell der WTO vorgesehen. Der jüngste UNO-Bericht stellt fest: "Die konzertierten Bemühungen der Entwicklungsländer, gleichwertige Teilnehmer in einer zunehmend auf gegenseitiger Abhängigkeit beruhenden globalen Wirtschaft zu werden, enden aufgrund systematischer Fehler und Asymmetrien des Handels- und Finanzsystems immer wieder in der Sackgasse." (UNCTAD Handels- und Entwicklungsbericht 2000). Mit anderen Worten: Die Entwicklungsländer haben schlechte Karten ihnen fehlen die technischen und administrativen Kapazitäten (und sie haben vermutlich nicht genügend Anwälte oder Unternehmenslobbyisten), um das System zu ihrem Vorteil zu nutzen. Darüber hinaus ist es wichtig, sich dem vorherrschenden politischen Glauben zu widersetzen, die Liberalisierung des Handels führe automatisch zur effizientesten internationalen Verteilung der Ressourcen und somit zu grösserem wirtschaftlichem Wohlstand. Die Realität zeigt heute jedoch eine unausgewogene Wettbewerbssituation und Unterentwicklung in vielen Ländern. Diese und andere "Verzerrungen" schränken die Möglichkeiten ein, wirtschaftlichen Wohlstand für die Mehrheit der Menschen allein durch die "Öffnung" von Märkten zu schaffen, wie das liberale Modell es vorsieht. Es müssen dringend andere, ausgewogenere Lösungen gefunden werden.
Ein weiteres grundlegendes Manko innerhalb des WTO-Prozesses ist das vollständige Fehlen einer demokratischen Legitimierung ihrer Verträge durch die Bevölkerung oder einer parlamentarischen Überprüfung ihrer Aktivitäten. Das Europäische Parlament ist beispielsweise hinsichtlich internationaler Handelsbeziehungen in der Praxis vom Entscheidungsfindungsprozess der Europäischen Union (EU) ausgeschlossen und dient innerhalb des institutionellen Rahmens lediglich als schmückendes Beiwerk. In keiner der WTO-Vereinbarungen ist die Einrichtung einer parlamentarischen Überprüfung oder Kontrolle ihrer Aktivitäten vorgesehen.
Die weltweite Finanzstruktur, die seit der Gründung der Bretton-Woods-Institutionen im Jahr 1944 entwickelt wurde, hat wirtschaftlichen Werten durchgehend eine alles überragende Bedeutung zugeschrieben. Die WTO stellt nun auch den globalen Handel über alles. Soziale, gesundheits-, beschäftigungs- und umweltpolitische Belange sowie die Notwendigkeit, Armut zu verringern und Schulden abzubauen, werden zwar mit einiger Verspätung inzwischen auch zur Kenntnis genommen, dann allerdings als optionale Extras behandelt, die nach Belieben irgendwie auf die vorhandenen undurchsichtigen und undemokratischen Strukturen aufgesetzt werden können.
Als Renato Ruggiero, erster Generaldirektor der WTO, 1995 über deren Gründung sprach, sagte er: "Wir schreiben die Verfassung des globalen Marktes". Was er dabei nicht sagte, war, dass diese "Verfassung" auf die Schaffung einer umfassenden Politik der Handelsförderung und -liberalisierung hinauslief, in der Elemente wie Kontroll- und Ausgleichmechanismen, eine Trennung von Exekutive und Legislative, demokratische und gesetzgeberische Verantwortlichkeit, der Schutz von Minderheiten und andere wesentliche, für eine moderne Verfassung unverzichtbare Garantien nicht vorgesehen sind. Wenn diese Verfassung 140 oder mehr souveränen Mitgliedstaaten dienen soll, bedarf es für die Schaffung einer institutionellen Architektur eines Maßes an Sorgfalt und Einfühlungsvermögen, das der WTO eindeutig fehlt.
Wenngleich die Welthandelsorganisation das sichtbarste Instrument der multilateralen Handelsglobalisierung sein mag, ist es nicht das einzige [und für einige noch nicht einmal das wichtigste]. Die Europäische Union selbst, ursprünglich ein "gemeinsamer Markt", das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA, geltend für die USA, Kanada und Mexiko), die kürzlich vereinbarte amerikanische Freihandelszone (FTAA, ein Zusammenschluss von 34 der 35 Länder des amerikanischen Kontinents, mit Ausnahme von Kuba), deren Inkrafttreten für das Jahr 2005 vorgesehen ist, und andere bestehende oder geplante regionale Handelsblöcke sind Grundpfeiler des weltweiten Macht- und Handelspokers, und die WTO kann nicht isoliert von der Tätigkeit dieser wichtigen Akteure gesehen, reformiert oder gar abgeschafft werden.
Inzwischen, insbesondere seit den 90er Jahren das vorigen Jahrhunderts, entsteht parallel hierzu unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen ein Netzwerk multilateraler, nicht handelsbezogener Abkommen. Zwei Beispiele hierfür sind die Konvention über biologische Vielfalt 1992 (und das dazu gehörige Biosafety-Protokoll von Cartagena aus dem Jahr 2000) und die Klima-Rahmenkonvention über Klimaveränderungen von 1992 (und das dazu gehörige Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1997). Zudem wird zurzeit viel über die Schaffung einer "Weltumweltorganisation" beim internationalen Rio +10-Gipfel über nachhaltige Entwicklung 2002 gesprochen.
Die internationale Herausforderung besteht jedoch nicht allein darin, mehr Verträge abzuschließen oder mehr globale Organisationen zu gründen, sondern festzulegen, wie diese nicht handelsbezogenen Abkommen (multilaterale Umweltabkommen - MEA) so umgesetzt werden können, dass sie ein effektives Gegengewicht zur von der WTO vertretenen Freihandelsagenda darstellen, damit sozial-, gesundheits-, beschäftigungs- und umweltpolitische Themen Vorrang erhalten und damit die genannten MEA nicht nur vollständig umgesetzt werden können, sondern die Werte, die sie schützen sollen, ebenso in die politischen Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen und institutionellen Ebenen integriert und vor Bedrohungen durch das WTO-System geschützt werden.
Aus diesem Grund legen wir ein Zehn-Punkte-Reformprogramm vor, das darauf abzielt, das internationale Handelssystem auf diese strategischen Ziele auszurichten.
Das beigefügte Hintergrundpapier (background document)legt detailliert unsere Kritik an den Ungleichheiten des globalen Handelssystems dar, nennt eine Reihe alternativer Werte, von denen unsere gemeinsamen Bemühungen geleitet werden sollten und erläutert die Reformen, die dringend erforderlich sind, wenn wir wirklich sozial gerechte und in Bezug auf die Umwelt nachhaltige Rahmenbedingungen für den Handel im 21. Jahrhundert schaffen wollen.
Hierzu bedarf es eines Aktionsplans einschließlich einer umfassenden Evaluierung der Auswirkungen vorangegangener globaler Handelsliberalisierungsmaßnahmen, einer ernsthaften Neuausrichtung der Ziele solcher Handelsregelungen im Hinblick auf Fairness, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, der Festlegung von Normen und Werten, die a priori für internationale Handelspolitik gelten sollten, einer Neustrukturierung der zum Erreichen dieser Ziele erforderlichen Mechanismen sowie der Demokratisierung der internationalen Institutionen im Namen aller Betroffenen. Zentraler Bestandteil dieses Aktionsplans ist die offenkundige Notwendigkeit, solange ein Moratorium für jegliche neuen Handelsliberalisierungsmaßnahmen auszusprechen, bis diese Punkte vollständig geklärt worden sind.
Schlussfolgerungen: Ein Zehn-Punkte-Reformprogramm
Die Gründe, warum die Grünen 1994 gegen die Gründung der Welthandelsorganisation WTO gestimmt haben, sind heute zutreffender denn je. Es ist deutlich geworden, dass die Politik der WTO in der Praxis den Prinzipien unserem Ziel eines fairen, umweltverträglichen und sozialen Handels widerspricht. Daher unterstützen wir die Abschaffung der WTO, wie auch aus der Erklärung der Weltkonferenz der Grünen in Canberra hervorgeht. Dies ist allerdings eine Strategie auf lange Sicht. Um kurzfristig die negativsten Auswirkungen der WTO abzumildern, schlagen wir die folgenden Punkte für eine Reform der WTO vor:
- Es darf in Qatar keine umfassende Runde neuer multilateraler Handelsverhandlungen zu Themen wie ausländische Direktinvestitionen, Wettbewerb, öffentliches Beschaffungswesen, "Transparenz" oder Biotechnologie eingeleitet werden. Die im Rahmen der Uruguay-Runde eingegangenen Verpflichtungen hinsichtlich Marktzugang, technische Unterstützung und das sogenannte "capacity building" (wie Wissenstransfer, Ausbildung etc.) sind längst noch nicht zufriedenstellend umgesetzt. Ebenso steht eine umfassende institutionelle Reformen an. Beides darf nicht mit neuen Liberalisierungsmaßnahmen verknüpft werden. Desgleichen sollen bei den laufenden Verhandlungen und Revisionen der Abkommen zur Landwirtschaft (AoA), zum Handel mit Dienstleistungen (GATS) und zum geistigen Eigentum (TRIPS) keine weitere Liberalisierung vereinbart werden, solange die strategischen Ziele der betreffenden Abkommen nicht neu definiert worden sind.
- Jedes bestehende WTO-Abkommen muss unabhängig überprüft werden, um eine eingehende Bewertung der bisherigen jeweiligen wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenen Auswirkungen vornehmen zu können, und neu ausgerichtet werden an dem vorrangigen Ziel einer wahrhaft nahhaltigen Entwicklung, die eine Verringerung der Armut einschließt. Die bislang existierenden sogenannten "Bedarfstests" im Rahmen des "Abkommens über technische Handelshemmnisse" (TBT) und anderer Abkommen können mit der Zielsetzung angewendet werden, staatliche, nicht handelsbezogene legislative Verfügungen aufzuheben, wenn diese von der WTO unter rein ökonomischen Gesichtspunkten als stärker handelshemmend eingestuft werden als zum Erreichen eines berechtigten Ziels unbedingt notwendig wäre. Diese als "Marktöffner" fungierenden Bedarfstests müssen durch Nachhaltigkeitstests ersetzt werden. Soziale und ökologische Gerechtigkeit sollte Vorrang haben vor rein wirtschaftswachstums- und handelsbezogenen Erwägungen.
- Politische Angelegenheiten von öffentlichem Interesse müssen vor Angriffen durch kommerzielle Handelsvereinbarungen geschützt werden. Insbesondere Bereiche wie Gesundheit und Sicherheit, Erziehung, Kultur, Energie, Nahrungsmittel- und Trinkwassersicherung, soziale und öffentliche Dienste, öffentlicher Verkehr, Umwelt- und Tierschutz dürfen nicht zum Gegenstand internationaler Freihandelsregelungen werden, die sich über nicht handelsbezogene politische Ziele hinwegsetzen. Aus diesem Grund muss in der internationalen Gesetzgebung der Anwendung multilateraler Verträge und Abkommen, die sozial-, beschäftigungs-, umweltpolitische und andere nicht handelsbezogene Angelegenheiten schützen, Vorrang eingeräumt werden. Sie müssen auch in allen künftigen Abkommen über Mandat und Befugnisse einer Weltumweltorganisation Vorrang haben, so dass internationale Handelsregelungen diesen untergeordnet werden.
- Fairer Handel ist nicht gleich freier Handel. Entwicklungsländer und die am wenigsten entwickelten Länder, die unter den WTO-Mitgliedern die überwiegende Mehrheit darstellen, müssen ihren rechtmäßigen Platz im Handelssystem erhalten. Sie brauchen dazu dauerhaft Sonderregelungen (auf englisch: special and differential treatment, SDT), um ihrer relativ schwachen Position im internationalen Handelssystem gerecht zu werden. Das Konzept des gerechten Handels erfordert, dass Handelsregeln auch die fundamentalen Menschen- und Arbeiterrechte anerkennen und respektieren, inklusive die Rechte der Ureinwohner und Ureinwohnerinnen. Lokalen Erzeugern und Erzeugerinnen, vor allem denjenigen, die Grundnahrungsmittel anbauen, muss garantiert werden, dass sie für ihre Erzeugung einen gerechten Preis erhalten.
- Eine wirksame demokratische Kontrolle der WTO muss geschaffen werden. Die Menschen müssen das Recht zur Selbstbestimmung haben und ebenso das Recht, über internationale Handelsverpflichtungen informiert zu werden und mitentscheiden zu können. Unter anderem erfordert dies, dass die Entscheidungsfindungsprozesse in Verhandlungen und die Durchsetzung in internationalen Handelsgremien demokratisch, transparent und inklusiv erfolgen (interne Transparenz) und dass eine ernsthafte gesetzliche Überprüfung durch gewählte Vertreter der Mitgliedsländer gewährleistet wird (externe Transparenz). Das bedeutet, dass das Verhandlungsmandat für sämtliche Handelsvereinbarungen im Voraus explizit von den nationalen oder regionalen Parlamenten festgelegt werden sollte und die Ergebnisse diesen Gremien zur Beurteilung vorgelegt werden. Den Stimmen von Organisationen der Zivilgesellschaft sowie von Parlamentariern und Parlamentarierinnen, wie sie z.B. auf dem Weltsozialforum von Porto Alegre (Januar 2001) vertreten waren, muss Gehör verschafft werden.
- Reform der Prioritäten im Agrarbereich. Die Reform der Ziele des Agrarabkommens muss Hand in Hand gehen mit einer Reform der gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Beide benötigen eine Umorientierung weg vom Ansatz "quantitativer Handel" hin zu einer nachhaltigen und integrierten Landwirtschaftspolitik, die den Schwerpunkt auf lokale und regionale Nahrungsmittelerzeugung und verteilung sowie auf die Sicherheit von Nahrungsmitteln und Trinkwasser legt und dabei regionale Herkunftsbezeichnungen achtet. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass dies im Rahmen der WTO erreicht wird. Aus diesem Grund sollte in Erwägung gezogen werden, die internationale Verantwortung für die landwirtschaftliche Entwicklung an ein unabhängiges Forum zu übertragen, wobei auf dem Mandat demokratischer Strukturen von Organisationen wie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten nationen (FAO) in Rom aufgebaut und dieses weiterentwickelt werden sollte.
- Menschliche Bedürfnisse dürfen nicht als reine Ware behandelt werden. Die Patentierung von Lebensformen einschließlich Mikroorganismen muss in allen nationalen und internationalen bestehenden Gesetzgebungen verboten werden, um biologische Vielfalt, Nahrungsmittelsicherheit sowie die Rechte der lokalen Bevölkerung zu schützen und Zugang sowie und Kontrolle von genetischen Ressourcen durch private Unternehmen einzuschränken. Artikel 27.3b des TRIPS-Abkommens muss zu diesem Zweck neu verhandelt werden. Das Recht von Bauern und Bäuerinnen, aufbewahrtes Saatgut ohne Einschränkung durch Patente oder andere vertragliche Beschränkungen wiederzuverwenden, muss wiederhergestellt werden. Biopiraterie oder Raub von tradiertem Wissen muss strafbar gemacht werden. Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des Geistigen Eigentums (TRIPS) muss daher auch in weiteren Aspekten neu verhandelt werden, um Regierungen die Möglichkeit zu geben, Patentschutz auf lebensrettende Medizin zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit zu beschränken oder ganz zu verbieten.
- Der Streitschlichtungsmechanismus muss der WTO entzogen und auf ein unabhängiges, von der UNO kontrolliertes Gremium übertragen werden, um zu verhindern, dass die WTO gleichzeitig als Richter und Schöffe in Handelsstreitigkeiten agiert. Die Achtung der Grundsätze einer nachhaltigen Entwicklung muss im Vordergrund sämtlicher Streitbeilegungen stehen.
- Reform der ethischen Leitprinzipien von Wirtschaft und Handel. Der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die regionalen Entwicklungsbanken müssen die Schulden der armen Länder in regionale Investitionsprogramme für nachhaltige Entwicklung umwandeln. Strukturanpassungsprogramme, mit denen Entwicklungs- und Schwellenländer zur Liberalisierung des Handels gezwungen werden, müssen eingestellt werden. Statt auf Erwägungen über Wettbewerbsvorteile zwischen Ländern muss der Hauptaugenmerk auf Überlegungen zum (Wieder-)Aufbau lokaler und regionaler Wirtschaften weltweit gelenkt werden. Die Regierungen sollen über das System der UNO und mit voller demokratischer Beteiligung ein verbindliches und durchsetzbares Abkommen über die Verpflichtungen von Unternehmen im Hinblick auf die Umwelt und sozial verantwortungsvolles und demokratisch kontrollierbares Verhalten aushandeln.
- Ein Moratorium auf weitere plurilaterale, regionale und bilaterale Handelsabkommen ist erforderlich. Die führenden Industrieländer übertrumpfen sich derzeit gegenseitig mit Abschlüssen von Handelsvereinbarungen mit Drittländern, sogenannten "Partnern" (einschließlich Nichtmitgliedern der WTO), über sämtliche Handelsangelegenheiten, die entweder von den WTO-Abkommen ausgenommen sind oder bei denen die vertraglichen Vereinbarungen kommerziell als zu schwach angesehen werden. Dies ist etwa der Fall bei den Vorschlägen zu einer amerikanischen Freihandelszone (FTAA) über ausländische Direktinvestitionen oder auch bei der Politik der EU, schwächeren Handelspartnern restriktivere Klauseln hinsichtlich des geistigen Eigentums aufzuerlegen.
Die Grünen/Europäische Freie Allianz im Europäischen Parlament, 27. Juni 2001