Südosteuropa - von einer Krisenzone zu einer europäischen Friedensregion
Bericht über das III. Panel des Wiener Gipfels
In seiner Einleitung bezeichnete Alexander van der Bellen den Titel des Panels als klare Zielvorstellung. Er erinnerte das Publikum daran, dass der Friede in den Balkanstaaten keineswegs als selbstverständlich angesehen werden dürfe und dass die verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen eine Universallösung in dieser Region zunichte machten. Er sprach sich daher für eine stärkere Konzentration auf diejenigen Länder aus, die das Beitrittsverfahren noch nicht begonnen haben.
Ifranka Pasagic, Direktorin von Tuzlanska Amica Srebrenica, wies auf die Situation zurückgekehrter Flüchtlinge hin, die in ihrer Heimat auf die für ihr Schicksal verantwortlichen Kriegsverbrecher treffen. Manche diese früheren Flüchtlinge fühlen sich als Geisel der Geschichte - denn es ist eine Sache, mit Menschen zusammenleben zu müssen, die Dein Auto zerstört haben, es ist eine ganz andere Sache, mit Menschen zusammenleben zu müssen, die Deine eigene Familie auf dem Gewissen haben. Andere Probleme, die sie ansprach, betrafen soziale Unsicherheit, die hohe Arbeitslosigkeit (die fast 50% der Jugendlichen betrifft), das Fehlen einer Infrastruktur und den Mangel an Kapital.
Der Politikberater Petr Stepanek, der hauptsächlich mit den lokalen Regierungen zusammenarbeitet, lenkte die Aufmerksamkeit auf das Fehlen erfahrener Politiker vor Ort. Unter Tito wurde die Entwicklung einer politischen Elite ausgesetzt, und dieses Problem wurde durch die jüngsten Konflikte noch verstärkt: trotz des Auftauchens politischer Führungspersonen mangelt es allerorten an der notwendigen politischen Erfahrung. Ein anderer wichtiger Aspekt, der mit diesem Punkt zusammenhängt, ist die hohe Korruption und das weit verbreitete organisierte Verbrechen. Zu diesen Problemen tritt das in Ländern wie Montenegro und Albanien traditionell starke Bandenwesen, das die Aufteilung der finanziellen Hilfe kontrolliert. Auch ehrliche Politiker können daher keine Unterstützung gewinnen, wenn sie sich nicht diesen Banden anschließen.
Gisela Kallenbach hob hervor, dass Vergangenheit und Zukunft einander bedingen. Sie vertrat die Ansicht, dass eine sichere Zukunft nur möglich sei, wenn die Vergangenheit in einer offenen Debatte thematisiert werden könne. Aus diesem Grund befürwortete sie die Bildung einer "Wahrheits- und Versöhnungskommission". Andere Prioritäten sah sie in dem Aufbau unabhängiger und demokratischer Institutionen, in der Stärkung der Wirtschaft und in der Ausgabe von Visa an die Bevölkerung - 70% der Jugendlichen in Serbien haben ihr Land noch nie verlassen. Sie warnte auch vor dem steigenden Euroskeptizismus. Diesen Faktoren müsse mit der Erarbeitung einer EU-Strategie für die Balkanstaaten begegnet werden, die den Weg zu einem Beitritt ebnete. Gisela Kallenbach kritisierte in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Finanzierung der militärischen Interventionen oftmals zulasten der Möglichkeit friedlicher Interventionen ginge.
Ulrike Lunacek kritisierte die österreichische Ratspräsidentschaft dafür, dass sie die Visapolitik für die Balkanstaaten nicht zu einer politischen Priorität erklärt habe. Die Europäische Union müsse der Ghettoisierung des Balkans entgegentreten. Sie unterstrich auch die Notwendigkeit, den Frauen, die Opfer eines Menschenhandels würden, mehr Beachtung zu schenken. Angelika Beer erklärte ihrerseits, dass die EU jungen Menschen aus den Balkanländern die Möglichkeit bieten müsse, andere Teile der Welt zu sehen. Sie lehnte außerdem einen Sonderstatus der EU mit den Balkanländern ab, wenn dieser als Alternative zu einer vollen Mitgliedschaft angelegt werde. Sie betonte, dass die Integration des Balkans ein wesentlicher Schritt für die Wiedervereinigung Europas sei.
Daniel Cohn-Bendit forderte die Stärkung regionaler Kooperationen und wies zudem auf die für einen EU-Beitritt notwendige Verfassungsänderung Bosniens hin, die momentan noch den Proporz ethnischer Bevölkerungsgruppen beinhalte. Pierre Jonckheer gab zu bedenken, dass es angesichts der bestehenden Funktionsstörungen der EU-25 fragwürdig sei, den Balkanstaaten den EU-Beitritt als einzig mögliche Lösung in Aussicht zu stellen. Er forderte die EU auf, zunächst ihre internen und institutionellen Probleme zu lösen - die Verfassung inbegriffen -, und die Reformprozesse auf dem Balkan zu unterstützen, ohne sie mit einem EU-Beitritt zu verknüpfen. Petr Stepanek verwies auf die Erfahrung in Zypern und stellte fest, dass ein Beitritt möglicherweise nicht alle Probleme lösen könne.
Alexander van der Bellen schloss die Konferenz mit der Feststellung, dass der Balkan der EU beitreten werde und dass die europäischen Regierungen gut daran täten, sich auf diese Beitrittsprozesse vorzubereiten.