Syrien
Grüne/EFA Entschließungsantrag
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen, insbesondere seine Entschließung zur Lage in Syrien, Jemen und Bahrain, im Kontext der Lage in der arabischen Welt und Nordafrika vom 7. April 2011,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahre 1948,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) von 1966, zu dessen Vertragsparteien Syrien gehört,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1975 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, zu dessen Vertragsparteien Syrien gehört,
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Mitteilung der Hohen Vertreterin und der Kommission vom 25. Mai 2011 „Eine neue Antwort auf eine Nachbarschaft im Wandel“, die eine Ergänzung der Gemeinsamen Erklärung über eine „Partnerschaft für Demokratie und gemeinsamen Wohlstand im südlichen Mittelmeerraum“ vom 8. März 2011 darstellt,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. April 2011 zur Überprüfung der Europäischen Nachbarschaftspolitik – südliche Dimension,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates zu Syrien vom 18. Juli 2011,
– in Kenntnis der Erklärung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu Syrien vom 3. August 2011,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek, und die Reaktion der internationalen Gemeinschaft vom 19. August 2011,
– gestützt auf den Beschluss 2011/522/GASP des Rates zur Änderung des Beschlusses 2011/273/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Syrien, den Beschluss 2011/523/EU des Rates zur teilweisen Aussetzung des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Arabischen Republik Syrien und die Verordnung 878/2011 des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 442/2011 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Syrien vom 2. September 2011,
– in Kenntnis der vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in seiner 17. Sondersitzung zur Menschenrechtssituation in der Arabischen Republik Syrien angenommenen Resolution vom 23. August 2011,
– in Kenntnis der Erklärung des Rates der Arabischen Liga vom 28. August 2011,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen schätzen, dass seit Beginn der Proteste im März mehr als 2.200 Menschen in Syrien getötet wurden; in der Erwägung, dass Menschenrechtsorganisationen davon sprechen, dass 26.000 Menschen verhaftet wurden, fast 11.000 weiterhin im Gefängnis sitzen und etwa 3.000 verschwunden sind;
B. in der Erwägung, dass die Sondierungsmission des Hohen Kommissars vom 19. August Beweise für hunderte Massenhinrichtungen, für die Verwendung scharfer Munition gegen Demonstranten, für den verbreiteten Einsatz von Heckenschützen während der Proteste, für die Verhaftung von und Folter an Menschen aller Altersstufen, für die Blockade von Städten und Stadtzentren durch die Sicherheitskräfte und für die Zerstörung der Wasserversorgung vorgefunden hat;
C. in der Erwägung, dass der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, der seine 2. Sondersitzung einige Tage nach dem Bericht der Delegation einberufen hatte, am 23. August eine Resolution verabschiedet hat, in der die schnelle Entsendung einer unabhängigen internationalen Untersuchungskommission zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Syrien, die sich als Verbrechen gegen die Menschlichkeit erweisen könnten, gefordert wird;
D. in der Erwägung, dass trotz einer umfassenden internationalen Verurteilung des syrischen Regimes und der Verabschiedung von gezielten Sanktionen durch die EU und die Vereinigten Staaten gegen diejenigen, die Nutznießer des Regimes sind oder es unterstützen, wozu auch Waffenembargos und seit kurzem ein Verbot der Öleinfuhr gehören, das gewalttätige Vorgehen gegen friedliche Demonstranten fortgesetzt wurde; in der Erwägung, dass die Eskalation der Gewalt voranschreitet und Sicherheitskräfte auf anhaltende Proteste mit noch stärkerem Einsatz von Gewalt geantwortet und ihre Akte der Unterdrückung gegen pro-demokratische Aktivisten und deren Familien intensiviert haben;
E. in der Erwägung, dass trotz wiederholter Zusagen, politische Reformen und einen politischen Wandel in Syrien herbeizuführen, Assad’s Regime nichts unternommen hat, um diese zu verwirklichen,
F. in der Erwägung, dass Schätzungen zufolge aus Dschisr asch-Schughur und in der jüngsten Zeit aus Latakia und Hama 17.000 Syrer Syrien aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der Sicherheitskräfte über die türkische Grenze verlassen haben; in der Erwägung, dass die Türkei etwa 7.000 syrische Flüchtlinge verteilt in 6 Lagern in der Grenzprovinz Hatay untergebracht hat;
G. in der Erwägung dass sich Mitglieder des Europäischen Parlaments in den vergangenen Monaten bei verschiedenen Gelegenheiten mit im Exil lebenden Vertretern der syrischen Opposition zu einem Meinungsaustausch getroffen haben;
H. in der Erwägung, dass die andauernde brutale Unterdrückung in Syrien die regionale Stabilität real bedroht und in der Erwägung, dass diese Situation die Nachbarländer in Mitleidenschaft zieht;
1. erklärt seine Solidarität mit dem syrischen Volk und bringt seine nachhaltige Unterstützung für den Kampf des syrischen Volkes für Freiheit, demokratische Reformen und ein Ende des autoritären Regimes zum Ausdruck;
2. verurteilt aufs Schärfste den eskalierenden Einsatz von Gewalt gegen friedliche Demonstranten und die brutale und systematische Verfolgung pro-demokratischer Aktivisten, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten; ist angesichts der Schwere der von den syrischen Behörden begangenen Menschrechtsverletzungen, die unter anderem Massenverhaftungen, außergerichtliche Tötungen und willkürliche Verhaftungen vornehmen, Menschen verschwinden lassen und foltern, zutiefst besorgt;
3. vertritt die Ansicht, dass diese weit verbreiteten und systematischen Verstöße Syriens gegen seine Verpflichtungen bezüglich der völkerrechtlich verankerten Menschenrechtsnormen unter Umständen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu werten sind; unterstützt in diesem Zusammenhang den Beschluss des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen, eine unabhängige internationale Untersuchungskommission für Syrien zur Untersuchung von durch syrische Sicherheitskräfte begangene Menschenrechtsverletzungen zu entsenden, um die für die Gewalt Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen; fordert die syrischen Behörden dringend auf, Abstand davon zu nehmen, nicht umfassend mit dem Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR) und anderen Stellen der Vereinten Nationen zu kooperieren und diesen keinen ungehinderten Zugang zu gewähren; ist der Ansicht, dass der UN-Sicherheitsrat die Untersuchung der Lage in Syrien an den Internationalen Strafgerichtshof übergeben sollte, damit der syrischen Bevölkerung Gerechtigkeit widerfährt und weitere Opfer verhindert werden;
4. unterstützt den jüngsten Beschluss, als Antwort auf das zunehmend gewalttätige Vorgehen, den Anwendungsbereich der EU-Sanktionen auszuweiten und die Einfuhr von syrischem Öl und anderen Erdölprodukten in die EU zu untersagen; fordert jedoch den Rat und die EU-Mitgliedstaaten auf, weitere Sanktionen gegen Syrien zu erlassen und es europäischen Unternehmen zu verbieten, in den syrischen Energiesektor zu investieren, da die EU-Mitgliedstaaten etwa 95% der Ölexporte Syriens erhalten; bekräftigt gleichzeitig seine feste Unterstützung für die diplomatischen Bemühungen der EU-Mitgliedstaaten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, bei der Suche nach angemessene Antworten der internationalen Gemeinschaft auf die Eskalation der Gewalt in Syrien; verweist auf den Aufruf syrischer Oppositioneller zur Entsendung internationaler Beobachter um Angriffe gegen Zivilisten zu verhindern;
5. fordert erneut eine sofortige Einstellung des gewalttätigen Vorgehens gegen friedliche Demonstranten, die Freilassung aller inhaftierten Demonstranten, politischen Häftlinge, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten, den ungehinderten Zugang internationaler humanitärer Organisationen und Menschenrechtsorganisationen sowie der internationalen Medien in das Land und den Zugang der Bürger zu Kommunikations- und Informationsnetzen in Syrien;
6. ist der Ansicht, dass das syrische Regime seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz seiner Bevölkerung und den Forderungen zur sofortigen Einstellung der Gewalt sowie zur Beteiligung an bedeutenden Reformen nicht nachgekommen ist;
7. fordert Präsident Bashar Al-Assad und sein Regime auf, die Macht unverzüglich abzugeben; vertritt die Ansicht, dass damit der Weg geebnet und der Übergangsprozess gefördert werden würde; weist darauf hin, dass der Übergangsprozess auf einem glaubwürdigen und integrativen Dialog unter Einbeziehung aller demokratischen Kräfte und der Akteure der Zivilgesellschaft beruhen und darauf ausgerichtet sein sollte, tiefgreifende demokratische Reformen in die Wege zu leiten, einschließlich der Aufhebung des Ausnahmezustands, der Beendigung der Monopolstellung der Baath-Partei in der syrischen Gesellschaft und der Möglichkeit der Ausrichtung freier und fairer Wahlen;
8. fordert die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin, den Rat und die Kommission auf, das Auftreten organisierter syrischer demokratischer Oppositionskräfte innerhalb und außerhalb Syriens politisch und technisch weiter zu unterstützen;
9. fordert die türkische Regierung auf, dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ungehinderten Zugang zu den Lagern der syrischen Flüchtlinge zu gewähren, und denen die es wünschen, die Registrierung als Flüchtling gemäß internationalen Konventionen zu ermöglichen sowie den Zugang der Medien sowie die Beobachtung durch internationale und lokale Menschenrechtsorganisationen zu erleichtern, und fordert die EU auf, den türkischen Behörden, wenn sie es wünschen, die erforderliche Hilfe und Unterstützung bei der Unterbringung der syrischen Flüchtlinge zu gewähren;
10. ermutigt die EU und ihre Mitgliedstaaten, die enge Zusammenarbeit mit der Türkei und den Nachbarländern Syriens, der Arabischen Liga und anderen internationalen Akteuren fortzusetzen, um die potenzielle Ausweitung der derzeitigen Krise in Syrien, einschließlich der humanitären Krise, auf andere Gebiete in der Region zu verhindern;
11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Kommission, der Regierung und dem Parlament der Arabischen Republik Syrien und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu übermitteln.