Offener Brief an Präsident Barack Obama
MEPs der Grünen/EFA-Fraktion schreiben offenen Brief zu TTIP an US-Präsident
Betreff: Hannover Messe, 23. April 2016
Sehr geehrter Herr Präsident Obama,
Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Europäische Union beginnen am Montag (25. April) die 13. Verhandlungsrunde über das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Ihr Besuch auf der Hannover Messe wurde auch als Bemühung interpretiert, die Verhandlungen zu beschleunigen, um eine Einigung bis zum Ende des Jahres zu erzielen.
Wir glauben, das wäre ein Fehler. Mit Blick auf die kommenden letzten Monate Ihrer Amtszeit bitten wir Sie inständig, unsere Bedenken anzuhören, die auch viele US-Bürgerinnen und -Bürger teilen.
Wir sind der Auffassung, dass Sie kein handelspolitisches Vermächtnis hinterlassen sollten, das auf Machtspielen über Verhandlungen in Handelsfragen gründet, die noch nicht reif für einen Abschluss sind. Uns sind Versuche Ihrer Regierung bekannt, mögliche europäische Unterstützung für einen schnellen Abschluss der Verhandlungen zu finden. Diesen Ansatz teilen wir nicht, da wir befürchten, dass europäische Interessen auf dem Altar von Mike Fromans "schnellen Weg zum Ziel" geopfert würden. Stimmen aus der Industrie haben dieselben Bedenken öffentlich und intern geäußert.
Erlauben Sie uns, sechs unserer vordringlichsten Bedenken hervorzuheben:
- Wir lehnen entschieden jeden Versuch ab, hart erkämpfte Vorschriften und Standards zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Verbraucherinnen und Verbrauchern, kleiner und mittlerer Unternehmen sowie zum Daten- und Umweltschutz zu unterlaufen.
- Bevorzugter Investorenschutz bringt den Markt in Schieflage und unterläuft unsere Demokratien zum Vorteil transnationaler Großkonzerne. Die ISDS-Milliardenklage der Firma TransCanada gegen Ihre Entscheidung, die Keystone XL-Pipeline nicht zu bauen, ist nur ein Beispiel für eine Zukunft, die wir kategorisch ablehnen.
- Regulatorische Zusammenarbeit darf nicht als Vorwand dazu dienen, privilegierten Interessensgruppen noch mehr Einfluss auf demokratische Gesetzgebung und die Anwendung von Vorschriften zu geben.
- In Zeiten des Paris-Abkommens, das Ihre Regierung heute in New York unterzeichnet, müssen Handelsabkommen so angelegt sein, dass sie den Übergang hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft fördern. Sie dürfen nicht zulassen, dass Investitionen noch stärker in fossilen Energien festgeritten werden.
- Jedes regionale Handelsabkommen sollte darauf ausgerichtet sein, die Wiederbelebung einer multilateralen Handelsagenda zu unterstützen.
- Die Bürgerinnen und Bürger auf beiden Seiten des Atlantiks müssen Zugang haben zu den Dokumenten, die verhandelt werden, insbesondere, wenn sie auf die demokratischen Prozesse Einfluss nehmen wie im Fall der regulatorischen Zusammenarbeit. Jede Einigung, die nur im Hinterzimmer ausgehandelt wird, richtet sich am Ende gegen die Bürgerinnen und Bürger.
Von diesen sechs Bedenken berücksichtigt TTIP momentan nicht mal eines vollständig.
Wir glauben, dass wir eine starke transatlantische Allianz aufbauen können, die Gutes bewirken kann. Der Erfolg des Europäischen Parlaments bei der Verabschiedung einer starken Gesetzgebung für den Datenschutz, die die Rechte der Bürgerinnen und Bürger verteidigt, ist ein solcher Fall.
Zusammen bilden die EU und die USA den weltweit größten Abnehmermarkt. Diese Verantwortung erfordert auch Führung. Wir sollten uns wieder auf Vereinbarungen konzentrieren, welche die Menschen und unsere Demokratien stärken, die Standards für Arbeitsschutz, öffentliche Dienstleistungen und Umweltschutz erhöhen und unser gemeinsames Interesse stärken, Steuerhinterziehung und Steueroasen zu bekämpfen. Der Weg, den TTIP bisher eingeschlagen hat, entfernt uns nur weiter von diesen grundlegenden Zielen.
In der Phase, in der sich Ihre Präsidentschaft dem Ende zuneigt, sind wir Zeugen eines wachsenden Engagements der Bürgerinnen und Bürger in den USA und in der EU. Jetzt ist die Gelegenheit, diese Energie zu nutzen. Auf einen echten Wechsel zu dringen bei der Art und Weise, wie Handelsabkommen zustande kommen, ist Teil der notwendigen Veränderungen.
Das Engagement so vieler Bürgerinnen und Bürger bei TTIP/TPP gibt uns Hoffnung, dass unsere Demokratien etwas sind, für das die Menschen immer noch zu kämpfen bereit sind.
Ska Keller (Koordinatorin der TTIP-Arbeitsgruppe der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament)
Yannick Jadot (Koordinator der TTIP-Arbeitsgruppe der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament)
Reinhard Bütikofer (Koordinator der Fraktion der Grünen der US-Delegation des Europäischen Parlaments)