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Libyen

Grüne/EFA Entschließungsantrag

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die Resolutionen 1970 (2011) vom 26. Februar 2011 und 1973 (2011) vom 17. März 2011 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen,

–   unter Hinweis auf die Aussetzung der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen zwischen der EU und Libyen am 22. Februar 2011,

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ zu Libyen vom 18. Juli 2011,

–   unter Hinweis auf die Konferenz der Internationalen Kontaktgruppe für Libyen, die am 1. September 2011 in Paris stattfand,

–   unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Libyen, insbesondere diejenige vom 10. März 2011, und seine Empfehlung vom 20. Januar 2011,

–   unter Hinweis auf die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu Libyen vom 13. September 2011,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die Resolution 1973 des VN-Sicherheitsrats nach der brutalen Unterdrückung friedlicher Demonstranten einschließlich grober und systematischer Verletzungen der Menschenrechte angenommen wurde und dass es das libysche Regime versäumt hat, seiner völkerrechtlichen Verantwortung für den Schutz der libyschen Bevölkerung Geltung zu verschaffen;

B.  in der Erwägung, dass eine Koalition von Staaten gebildet wurde, die bereit waren, diese Resolution umzusetzen; in der Erwägung, dass dieses Mandat in einer zweiten Phase von der NATO übernommen wurde; in der Erwägung, dass der Lufteinsatz „Odyssey Dawn“ unter der Führung der NATO so lange fortgesetzt wird, wie er notwendig ist, um die Zivilbevölkerung in Libyen zu schützen;

C. in der Erwägung, dass viele Staaten den Libyschen Übergangsnationalrat bereits anerkannt haben und viele weitere ihn in Kürze anerkennen werden;

D. in der Erwägung, dass die Internationale Kontaktgruppe am 1. September 2011 in Paris zusammengetreten ist, um Pläne über die Bildung der künftigen Übergangsregierung und einen Zeitplan für echte demokratische Institutionen zu entwerfen;

E.  in der Erwägung, dass die EU die eingefrorenen Vermögenswerte von 28 libyschen Organisationen, zu denen auch Ölgesellschaften zählen, am 1. September 2011 freigegeben hat, um die Übergangsregierung und das libysche Volk mit Ressourcen zu versorgen und dem libyschen Übergangsnationalrat zu helfen, die Wiederherstellung des Staates und den Wiederaufbau des Landes unverzüglich in Angriff zu nehmen;

F.  in der Erwägung, dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) am 27. Juni 2011 einen Haftbefehl für Oberst Gaddafi und zwei seiner Familienmitglieder wegen seit Beginn des Volksaufstandes mutmaßlich verübter Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgestellt hat;

G. in der Erwägung, dass die EU über 152 Millionen EUR an für die humanitäre Hilfe bereitgestellt hat; in der Erwägung, dass nach der Konferenz der Internationalen Kontaktgruppe vom 1. September die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin angekündigt hat, die Strategie der EU zu Libyen werde auf der Gewährung humanitärer Hilfe, Sicherheit für die Zivilbevölkerung sowie der Reform der wirtschaftlichen und politischen Struktur des Landes beruhen;

H. in der Erwägung, dass laut dem UNHCR seit dem Beginn des gewalttätigen Vorgehens in Libyen etwa 1 500 libysche Flüchtlinge beim Versuch, das Mittelmeer nach Europa zu überqueren, ihr Leben verloren haben;

1.  bekundet seine Solidarität und seine Unterstützung der vom libyschen Volk geführten Revolution; fordert die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin der Kommission auf, eine echte, wirksame und glaubwürdige gemeinsame Strategie für Libyen auszuarbeiten, und fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, diese Strategie umzusetzen und dabei von einseitigen Aktionen oder Initiativen, die diese Strategie schwächen könnten, Abstand zu nehmen; fordert die EU auf, die humanitäre Hilfe zu verstärken, um die neuen Bedürfnisse der libyschen Bevölkerung insbesondere in Tripolis und den weiteren am stärksten betroffenen Städten zu befriedigen, wozu auch der Zugang zu sauberem Wasser, Medikamenten und medizinischen Gütern gehören;

2.  fordert die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin der Kommission, den Rat und die Kommission auf, die Beziehungen zum Übergangsnationalrat weiterzuentwickeln und die neuen libyschen Staatsorgane beim Aufbau eines vereinten, demokratischen und pluralistischen Libyen, in dem Menschenrechte, Grundfreiheiten und Gerechtigkeit für alle Bürger Libyens sowie auch Fremdarbeiter und Flüchtlinge gewährleistet werden; fordert insbesondere die EU auf, Hilfe bereitzustellen, insbesondere zur Unterstützung des Übergangsnationalrats bei der Vorbereitung der Wahl- und Verfassungsprozesse, die innerhalb der nächsten 18 Monate ablaufen sollen; beharrt insbesondere darauf, dass der Einbeziehung von Frauen und Frauenorganisationen in den Aufbau der neuen und demokratischen Strukturen gebührende Beachtung geschenkt werden sollte;

3.  stellt fest, dass der Übergangsnationalrat die Stationierung jeglicher internationaler Friedenstruppen, sobald der militärische Konflikt zwischen seinen Streitkräften und den Gaddafi-Anhängern beendet ist, ablehnt; begrüßt die Erklärung von VN-Generalsekretär Ban Ki-moon, wonach die VN bei den internationalen Bemühungen im Hinblick auf die Unterstützung der neuen libyschen Regierung in vielen Bereichen des Staatsaufbau die Führung übernehmen müssen;

4.  fordert die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin der Kommission, die Kommission und die EU-Mitgliedstaaten auf, unter der Ägide der VN Unterstützung zu gewähren, die die Reform des libyschen Sicherheitssektors einschließlich der Polizei und der Streitkräfte sowie die Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Kombattanten einschließlich der Erfassung der Waffen der Kombattanten und der Verstärkung der Kontrolle des illegalen Waffenhandels in Zusammenarbeit mit benachbarten Staaten zum Ziel hat; ist besonders besorgt über die riesige Menge an Waffen, die sich im Besitz von Kombattanten und Zivilisten befinden, da sie das Leben der Bevölkerung und insbesondere von gefährdeten Gruppen wie Frauen und Kindern bedrohen;

5.  fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, die Zustimmung des VN-Sicherheitsrates zu erlangen und eingefrorene libysche Vermögenswerte freizugeben, um dem Übergangsnationalrat zu helfen, die in dieser Übergangsphase erforderliche Regierungsführung aufzubauen, und erwartet, dass die Zusage des Übergangsnationalrats, dafür zu sorgen, dass alle Vermögenswerte auf verantwortungsvolle und transparente Weise im Namen des libyschen Volkes verwaltet werden, eingehalten wird;

6.  nimmt die Berichte zur Kenntnis, wonach Gaddafi an einem unbekannten Ort von Rebellen umzingelt worden ist, und fordert die Kämpfer des Übergangsnationalrats auf, von einer Hinrichtung des Diktators und seiner Verwandten Abstand zu nehmen und sie vor Gericht zu stellen; bekräftigt diesbezüglich seine entschiedene Ablehnung der Todesstrafe in ausnahmslos allen Fällen ungeachtet der Art des Verbrechens und fordert den Übergangsnationalrat auf, gemäß der Resolution 1970 des Sicherheitsrates und der Zusage des Übergangsnationalrats gegenüber der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) im April uneingeschränkt mit dem IStGH zusammenzuarbeiten, indem er in Gewahrsam genommene Personen, gegen die ein Haftbefehl des IStGH vorliegt, diesem Gerichtshof überstellt;

7.  fordert die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin der Kommission auf, Hilfe bereitzustellen und den Übergangsnationalrat dabei zu unterstützen, einen echten Aussöhnungsprozess unter allen Teilen der libyschen Gesellschaft einzuleiten; fordert die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin der Kommission auf, Sachverständige und Ausbilder für Mediation und Dialog zu entsenden, um den Übergangsnationalrat und weitere libysche Akteure zu unterstützen;

8.  fordert alle militärischen Kräfte des Übergangsnationalrats auf, bei der Behandlung von Kriegsgefangenen, namentlich den verbliebenen Gaddafi-treuen Angehörigen der Streitkräfte und Söldnern, das humanitäre Völkerrecht zu achten; fordert den Übergangsnationalrat dringend auf, unverzüglich afrikanische Fremdarbeiter und dunkelhäutige Libyer, die willkürlich unter der Annahme, sie seien Gaddafi-treue Söldner, inhaftiert wurden, freizulassen und diejenigen, die Verbrechen begangen haben, vor ein unabhängiges Gericht zu stellen;

9.  fordert den Übergangsnationalrat ferner auf, den tausenden afrikanischen Einwanderern aus den Ländern südlich der Sahara, die nur wegen ihrer dunklen Hautfarbe Schikanen ausgesetzt sind, Schutz und Unterstützung zu gewähren und die Evakuierung der immer noch in den Zentren der IOM, insbesondere in Sirte, gestrandeten Immigranten zu gewährleisten; fordert dazu die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin der Kommission auf, dem Übergangsnationalrat die Unterstützung Europas im Bereich der Mediation zu gewähren, um dieser dringenden Situation in Übereinstimmung mit den Menschenrechten und den humanitären Normen gerecht zu werden; fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, Flüchtlinge, die sich nach der Flucht vor dem Konflikt immer noch in Lagern an der tunesischen und der ägyptischen Grenze aufhalten und für die eine Rückkehr nach Libyen lebensgefährlich wäre, neu anzusiedeln;

10. fordert den Übergangsnationalrat auf, sich in der einheimischen Rohstoffwirtschaft zu hohen Transparenzstandards zu verpflichten, um die natürlichen Ressourcen Libyens der gesamten Bevölkerung zugute kommen zu lassen, und sich insbesondere möglichst bald zur Einhaltung der Anforderungen der Initiative für die Transparenz in der Rohstoffwirtschaft (EITI) zu verpflichten; bekundet seine Besorgnis über eine angebliche Vereinbarung zwischen dem Übergangsnationalrat und Frankreich über den Verkauf eines Anteils von 35 % am libyschen Öl und Gas;

11. erinnert daran, dass EU-Mitgliedstaaten wie Italien, Belgien, Bulgarien, Portugal, Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich der Ausgangspunkt vieler Waffenausfuhren an das Gaddafi-Regime gewesen sind; weist darauf hin, dass diese Exporte mit den meisten der acht Kriterien des Verhaltenskodexes der EU für Waffenexporte nicht im Einklang standen; fordert diesbezüglich die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin der Kommission und den Rat auf, scharfe Maßnahmen zu ergreifen, damit dieser Kodex von allen Mitgliedstaaten in vollem Umfang eingehalten wird;

12. begrüßt die vom Vereinigten Königreich eingeleitete Untersuchung möglicher nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit britischer Geheimdienste mit dem Gaddafi-Regime; fordert alle betroffenen Mitgliedstaaten auf, diesem Beispiel zu folgen und unabhängige Untersuchungsgremien einzusetzen, um den Vorwürfen der Komplizenschaft bei Foltern durch einige europäische Geheimdienste, die mit dem Gaddafi-Regime im Rahmen des CIA-Programms für außerordentliche Überstellungen zusammengearbeitet haben könnten, nachzugehen;

13. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem EAD, der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin der Kommission, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, dem libyschen Übergangsnationalrat, dem VN-Sicherheitsrat, der VN-Generalversammlung, dem UNHRC, der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union zu übermitteln.

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Ulrike Lunacek
Vize Präsidentin des Europäischen Parlaments für die Fraktion

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