Krise im europäischen Fischereisektor aufgrund steigender Ölpreise
Grüne/EFA Entschließungsantrag
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission (2008)0453 zur Förderung der Anpassung der Fischereiflotten der Europäischen Union an die wirtschaftlichen Folgen der gestiegenen Treibstoffpreise,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 875/2007 der Kommission vom 24. Juli 2007,
– in Kenntnis des Grünbuchs der Kommission über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (KOM(2009)0163),
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass alle von fossilen Brennstoffen abhängigen Sektoren in der EU gleichermaßen von den gestiegenen Ölpreisen betroffen sind, mit Ausnahme des Luft- und Seeverkehrssektors (einschließlich der Fischerei), der von Energieabgaben auf Kraftstoff ausgenommen (Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003) und daher im Vergleich zu anderen Sektoren bereits in weitaus geringerem Maße von einem Anstieg der Kraftstoffpreise betroffen ist,
B. in der Erwägung, dass über 70 % der europäischen Fischbestände überfischt sind,
C. in der Erwägung, dass Subventionen für Kraftstoff einschließlich der Befreiung von Kraftstoffsteuern bekanntermaßen zu Überfischung beitragen und in diesem Zusammenhang als wirtschaftlicher Katalysator wirken können, da die geringen Betriebskosten die Fortführung der Fischereitätigkeit auf überfischte oder erschöpfte Bestände ermöglichen,
D. in der Erwägung, dass gemäß der Mitteilung der Kommission (2008)0453 diejenigen Flottensegmente mit dem höchsten Energieverbrauch, wie etwa Baumkurrenkutter, am stärksten von einem Anstieg der Treibstoffpreise betroffen sind und sich die Treibstoffkosten in einigen Fällen auf bis zu 60 % des Anlandewertes belaufen, wohingegen die Auswirkungen auf Küstenfischereifahrzeuge mit passivem Fanggerät weitaus geringer sind und die Treibstoffkosten hier lediglich 5 bis 20 % des Anlandewertes entsprechen,
E. in der Erwägung, dass die Situation dadurch verschlechtert wird, dass viele Fischer nicht in der Lage sind, die Kosten ihrer Tätigkeiten über ihren Verkaufspreis weiterzugeben, was durch die derzeitige Marktstruktur und die beherrschende Stellung von zwischengeschalteten Unternehmen bedingt ist,
F. in der Erwägung, dass Schätzungen zufolge mindestens 1,2 % des Erdölverbrauchs der Welt auf die weltweite Fischereiflotte entfallen,
G. in der Erwägung, dass die staatlichen De-minimis-Beihilfen für den Fischereisektor (Verordnung (EG) Nr. 875/2007 der Kommission vom 24. Juli 2007) im Jahr 2007 bereits um das Zehnfache von 3000 EUR auf 30 000 EUR erhöht wurden,
H. in der Erwägung, dass die EU die Schlussfolgerungen des IPCC anerkannt hat, wonach Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen gegenüber dem Stand von 1990 um 25 % bis 40 % bis 2020 reduzieren müssen, und dass der Europäische Rat für die EU das Ziel beschlossen hat, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 % bis 95 % zu senken,
I. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 25. November 2010 für die EU gefordert hat, das Ziel für die Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2020 auf 30 % heraufzusetzen,
J. in der Erwägung, dass sich die Mitgliedstaaten der EU im Rahmen des Gipfeltreffens zur Artenvielfalt im Oktober 2010 in Nagoya dazu verpflichtet haben, umweltschädliche Subventionen bis spätestens 2020 zu streichen,
K. in der Erwägung, dass sich die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten 2009 verpflichtet haben, die ineffiziente Subventionierung von fossilen Brennstoffen mittelfristig auslaufen zu lassen,
L. in der Erwägung, dass in vielen Mitgliedstaaten die verfügbaren EU-Beihilfen zu oft verwendet wurden, um die Entwicklung umfangreicher, energieintensiver, umweltschädlicher Fischereiflotten zu unterstützen, weil man davon ausging, dass Energie weiterhin billig bleiben würde,
M. in der Erwägung, dass hohe Energiekosten kein befristetes Phänomen sind, sondern dass sie struktureller und dauerhafter Natur sind, so dass der Sektor sich entsprechend anpassen muss,
N. in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten Programme zur Verringerung des Kraftstoffverbrauchs ihrer Flotten eingeleitet haben, und ferner in der Erwägung, dass solche Innovationen unterstützt werden müssen,
O. in der Erwägung, dass sich die Diskussionen der WTO im Rahmen der Doha-Runde auf die Frage konzentrieren, wie wettbewerbsverzerrende Fischereisubventionen abgebaut werden können,
1. gelangt zu der Schlussfolgerung, dass es dringend erforderlich ist, die europäischen Fischereiflotten dahingehend umzustrukturieren, dass sie auf energieintensive, umweltschädliche Fischereifahrzeuge und Gerätschaften verzichten und besser verträgliche Praktiken anwenden, die weniger Energie erfordern und für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft langfristig nachhaltiger sind;
2. fordert die Kommission auf, eine Studie über die Auswirkungen der Aufhebung der Verpflichtung der Mitgliedstaaten durchzuführen, Schiffskraftstoffe von der Besteuerung auszunehmen, und fordert ferner die Einführung einer Mindestenergiesteuer auf Schiffskraftstoffe sowie die Berücksichtigung des Seeverkehrssektors im Emissionshandelssystem der EU;
3. ist der Auffassung, dass die Bereitstellung umfangreicherer öffentlicher Mittel für den Fischereisektor aufgrund der gestiegenen Kraftstoffpreise im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik das falsche Signal senden und Schiffseignern einen Anreiz bieten würde, leistungsstärkere Motoren zu verwenden, die einen höheren Kraftstoffverbrauch aufweisen;
4. ist der Auffassung, dass Subventionen für Kraftstoffe, einschließlich der Steuerbefreiung, geringere Kosten für die Wiederherstellung der Rentabilität zur Folge haben und angesichts rückläufiger Fangquoten Anreize für eine weitere Befischung bieten, die zu Überfischung, einer Überkapitalisierung der Flotten, einer geringeren wirtschaftlichen Effizienz des Sektors sowie dem Verlust der Ressourcenrente führen;
5. ist der Auffassung, dass eine Anhebung der Obergrenze der De-minimis-Beihilfen von derzeit 30 000 EUR zum Ausgleich der gestiegenen Kraftstoffpreise die Anpassung der Fischereiindustrie an die unvermeidbar weiter steigenden Kraftstoffpreise – von denen alle von fossilen Brennstoffen abhängigen Sektoren betroffen sind –, behindern würde, wobei zu bedenken ist, dass der Fischereisektor im Vergleich zu anderen Sektoren aufgrund der Steuerbefreiung weniger stark gefährdet ist;
6. ist der Ansicht, dass eine Erhöhung der Kraftstoffsubventionen vor dem Hintergrund der allgemeinen Kürzungen der Staatsausgaben und in Anbetracht der Zusagen der Staats‑ und Regierungschefs der G20, Kraftstoffsubventionen auslaufen zu lassen, sowie in Anbetracht des Übereinkommens der WTO-Mitglieder, Fischereisubventionen in den WTO-Regeln zu berücksichtigen, die Führungsposition der EU in den gegenwärtigen Verhandlungsverfahren gefährden und ein Signal senden könnte, das andere Länder ebenfalls zu einer Erhöhung der Subventionen ermutigt und somit zu einem Teufelskreis führt, in dem die Betriebskosten für umweltschädliche Fangmethoden auf den Weltmeeren bereits viel zu gering sind und somit zu einer verheerenden Überfischung beitragen;
7. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten und den Vertretern der Organisationen des europäischen Fischereisektors zu übermitteln.