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Klimatpolitik der EU

Stellungnahme grüner Abgeordneter aus Europa zum Energiepaket der EU-Kommission

Die Mitteilung der Kommission zur europäischen Energiepolitik ist eine Enttäuschung auf ganzer Linie. Die Kommission erkennt den Klimawandel und die Energieversorgungsprobleme zwar als herausragendes gesellschaftliches Problem an. Das von Ihr vorgeschlagene Maßnahmenpaket ist jedoch viel zu schwach, um den Klimawandel auch nur ansatzweise zu stoppen. Damit steht die EU in völliger Diskrepanz zum selbst formulierten Ziel, die weltweite Vorreiterposition im Klimaschutz einzunehmen. Andere Energieprobleme wie die Ressourcenverknappung oder die nuklearen Risiken werden unzureichend oder gar nicht thematisiert; geeignete Lösungsvorschläge: Fehlanzeige!

Das vorgelegte Papier bedeutet auch einen Fehlstart der Bundesregierung, die Energie- und Klimapolitik eigentlich zum Schwerpunkt ihrer EU-Präsidentschaft machen wollte. Sie war in Erarbeitung des Strategiepapiers maßgeblich eingebunden.

Die Bundesregierung muss jetzt die deutsche Ratspräsidentschaft konsequent nutzen, diesen Eindruck wett zu machen und eine konsequente EU-Politik für Klimaschutz und Energieversorgungssicherheit auf den Weg bringen.

  • Die EU wird ihrer proklamierten Vorreiterrolle im internationalen Klimaschutz nicht gerecht. Das Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um lediglich 20% zu senken, ist vollkommen unzureichend. Soll verhindert werden, dass die globalen Temperaturen um mehr als zwei Grad steigen, ist vielmehr ein unkonditioniertes Minderungsziel von 30% erforderlich. Das eigene Vorgehen von Verpflichtungen anderer abhängig zu machen, wie es die Kommission vorschlägt, ist das Gegenteil einer europäischen Vorreiterrolle.
  • Ein zentraler und gleichzeitig preiswerter Beitrag für den Klimaschutz ist die Energieeinsparung. Zwar gehören Energieeffizienz und Einsparung zum Standardvokabular der Kommission, das Papier belegt aber erneut, dass es ihr an konkreten Maßnahmen mangelt. Wenn das Ziel, 20% des Energieverbrauchs bis 2020 einzusparen, nicht gelingt, sind die Klimaschutzziele kaum erreichbar. Der von der EU verabschiedete Aktionsplan muss durch konkrete verbindliche Maßnahmen im Endenergiebereich (Labeling, TopRunner) sowie durch eine konkrete Festlegung der nationalen Effizienzsteigerungsziele ergänzt werden. Es ist unbedingt erforderlich, die Energieeffizienz um 3 bis 4% pro Jahr zu steigern.
  • Die erneuerbaren Energien als entscheidendes Standbein für Klimaschutz haben bereits in einigen EU-Staaten bewiesen, dass sie erfolgreich zur Energieversorgungssicherheit beitragen können. Sie haben sich vor allem in der Stromerzeugung von einer Nischentechnologie zu einem beachtlichen Wirtschaftsfaktor entwickelt. Dabei ist ihr Potential noch nicht ansatzweise gehoben. Um das Wachstum der Erneuerbaren auf alle Mitglieder auszuweiten und auf die Sektoren Wärme und Verkehr zu verbreitern bedarf es konkreter Sektorziele, insbesondere eine Fortführung der bestehenden Richtlinie Strom aus Erneuerbaren Energien sowie einer neuen Richtlinie zu Heizung und Kühlung. Bis 2020 müssen 25% des Stroms der Wärme und der Treibstoffe aus Regenerativen Energien hergestellt werden.
  • Die Vorschläge zur Weiterentwicklung der Energiemärkte bedeuten eine deutliche Aufweichung der bisher eingenommenen Kommissionsposition. Die eigentumsrechtliche Entflechtung der Transportnetze wäre das wirksamste Mittel, um den Marktzutritt neuer Akteure zu erleichtern. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung für funktionierenden Wettbewerb. Die Option, das Netzmanagement stattdessen einem so genannten Independent System Operator zu überlassen, kann zum Schlupfloch für die Energiekonzerne werden, um ihre marktbeherrschende Stellung zu behaupten. Eine Dritte Liberalisierungsrichtlinie ist dringend nötig.
  • Die Kommission unternimmt mit dem Strategiepapier erneut den untauglichen Versuch, die Atomenergie grün zu waschen. Die Aussagen zur Atomkraft sind wenig ausdifferenziert, da die Probleme der nuklearen Sicherheit, die unlängst wieder am Störfall im AKW Forsmark deutlich wurden, genauso wenig vorkommen wie die Proliferationsgefahr und die gewachsene Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Stattdessen werden ökonomisch unrealistische Überlegungen zur vierten Reaktorgeneration aufgestellt. Statt einer inszenierten Atomeuphorie und neuen Subventionen bedarf es einer Vertragsstaatenkonferenz, die die einseitigen Privilegien der Atomkraft durch EURATOM aufhebt.
  • Die Festlegung der Kommission auf die Fortschreibung des fossilen und atomaren Energiemixes gefährdet die Versorgungssicherheit und macht die EU zunehmend erpressbar durch politisch instabile Regionen. Der beabsichtigte Ausbau der Kohle ist das Gegenteil von Klimaschutz. Der Bau neuer Kohlkraftwerke ohne CO2-Abscheidung sollte deshalb unterbleiben. Die Kommission sollte aber angesichts der offen Fragen zur Abscheidungstechnologie und zur CO2-Endlagerung nicht davon ausgehen, dass das CO2-freie Kraftwerk bis 2020 zur Verfügung steht. Für die jetzt anstehenden Investitionsentscheidungen kommt dieser Technologie keine Bedeutung zu.
  • Trotz der hohen Ölabhängigkeit und der großen Bedeutung des Verkehrssektors für den Klimaschutz – 70% des importierten Erdöls fließen in den Verkehr, der Verkehrssektor ist für 30% der CO2-Emissionen verantwortlich - hat die Kommission keinerlei Strategie für ein "Weg vom Öl". Sie verzichtet weiterhin auf verbindliche Verbrauchsobergrenzen  für Kraftfahrzeuge, obwohl die Selbstverpflichtung der Automobilindustrie offensichtlich gescheitert ist. Falsch ist, dass Biokraftstoffe der "einzige Weg sind, um die Ölabhängigkeit im Transportsektor zu reduzieren". Stattdessen brauchen wir Maßnahmen und Strategien in den Bereichen: Effizienzsteigerungen der herkömmlichen Verbrennungsmotoren und alternative Antriebe (Elektromotoren), die Anlastung der externen Kosten des Verkehrs durch harmonisierte höhere Energiesteuern (z.B. Kerosinsteuer), eine Ausweitung der LKW-Maut auf alle Straßen und alle LKW ab 3,5 Tonnen sowie die Einbeziehung des Luftverkehrs und der Seeschifffahrt in das Kyoto-Protokoll und den Emissionshandel. Ein massiver Ausbau der umweltfreundlichen Schiene würde viel Energie einsparen.

Die Grünen sind der Auffassung, dass eine Vorreiterrolle der Europäischen Union, die die Kommission angeblich für die weltweite Klimaschutzpolitik anstrebt, nur glaubwürdig ausgefüllt werden kann, wenn die jetzt veröffentlichen Ziele deutlich anspruchsvoller werden. Statt auf Atomenergie und fossile Energien zu setzen, müssen wir in Europa alles unternehmen, um Energieeinsparung, Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien deutlich stärker auszubauen, als es die EU-Kommission vorsieht.

Berlin, den 11.1.07

Stellungnahme in PDF version hier

ErstunterzeichnerInnen

Renate Künast, MP Germany
Daniel Cohn-Bendit, MEP
Rebecca Harms, MEP
Hans-Josef Fell, MP Germany
Cornelia Behm,  MP Germany
Kathaline Buitenweg, MEP
Michael Cramer, MEP
Satu Hassi, MEP
Martin Häusling, MdL
Bärbel Höhn, MP Germany
Gisela Kallenbach, MEP
Sepp Kusstascher, MEP
Jost Lagendijk, MEP
Gene Lambert, MEP
Georgia Langhans, MdL
Reinhard Loske, MP Germany
Frithjof Schmidt, MEP
Rainder Steenblock, MP Germany
Jürgen Trittin, MP, Germany
Claude Turmes, MEP
Stefan Wenzel, MdL

MP=Mitglied eines nationalen Parlaments
MEP=Mitglied des Europaparlaments
MdL=Mitglied eines Landtags

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