Konflikt im Gazastreifen
Grüne/EFA Entschließungsantrag
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Nahen Osten, insbesondere diejenige vom 10. März 2010 zur Umsetzung der Goldstone-Empfehlungen zu Israel/Palästina(1),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 19. November 2012 zu Gaza,
– unter Hinweis auf das Vierte Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten von 1949,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1989 über die Rechte des Kindes,
– unter Hinweis auf die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHRC) am 12. Januar 2009 auf seiner 9. Sondertagung angenommene Resolution A/HRC/S-9/1 zu den insbesondere auf die vorausgegangenen israelischen Militärangriffe gegen den besetzten Gaza-Streifen zurückzuführenden schweren Menschenrechtsverletzungen im besetzten palästinensischen Gebiet,
– unter Hinweis auf die vom UNHRC am 16. Oktober 2009 auf seiner 12. Sondertagung angenommene Resolution A/HRC/RES/S-12/1 zur Situation der Menschenrechte im besetzten palästinensischen Gebiet einschließlich Ost-Jerusalem;
– unter Hinweis auf den Bericht der Missionsleiter der EU zu Ost-Jerusalem,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die israelischen Streitkräfte nach einer mehrwöchigen Eskalation an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel und immer häufigeren Raketenangriffen aus dem Gazastreifen auf Südisrael am 14. November 2012 die Militäraktion „Säule der Verteidigung“ eingeleitet haben, die Luftangriffe, darunter gezielte Tötungen palästinensischer Militärführer, und Bombenangriffe einschließt, die von der israelischen Marine unterstützt werden und sich gegen Regierungsgebäude, den Sicherheitsapparat und die Büros von Medien im Gazastreifen richten, die oft in dicht besiedelten Gebieten liegen;
B. in der Erwägung, dass durch diese Luftangriffe mehr als 110 Palästinenser getötet wurden, die meisten von ihnen Zivilisten, darunter Frauen und mehrere Kinder; in der Erwägung, dass die Krankenhäuser im Gazastreifen wegen der hohen Zahl von Verletzten und dem Mangel an Arzneimitteln und adäquatem medizinischem Gerät nicht in der Lage sind, diese Notlage zu bewältigen; in der Erwägung, dass aus einigen Gebieten des Gazastreifens Stromausfälle und Wasserknappheit gemeldet werden, was die bereits heikle Situation verschärft;
C. in der Erwägung, dass durch aus dem Gazastreifen abgefeuerte Raketen drei israelische Zivilisten getötet und mehr als 60 verletzt wurden und dass die Angriffe Tel Aviv und sogar Jerusalem erreichten; in der Erwägung, dass derartige Langstreckenraketen von Iran an die Hamas und den Islamischen Dschihad geliefert werden;
D. in der Erwägung, dass diese Offensive die erste umfangreiche Militäraktion ist, die Israel seit dem Angriff von 2008-09 gegen den Gazastreifen und seit dem Arabischen Frühling von 2011 eingeleitet hat; in der Erwägung, dass der israelische Premierminister Netanjahu angekündigt hat, dass Israel bereit sei, den Konflikt auszuweiten und Bodentruppen in den Gazastreifen zu entsenden, wenn die Bemühungen um die Sicherstellung einer Feuerpause fehlschlügen, wozu die Mobilisierung von bis zu 75.000 Reservisten der Armee genehmigt wurde; in der Erwägung, dass die derzeitigen Offensive sich zu einem weiterreichenden regionalen Konflikt ausweiten könnte; in der Erwägung, dass israelische Streitkräfte entlang der Grenze zusammengezogen werden, was eine Bodenoffensive befürchten lässt;
E. in der Erwägung, dass Ägypten als Reaktion auf den israelischen Angriff seinen Botschafter aus Tel Aviv abgezogen und seinen Premierminister auf einen Solidaritätsbesuch in den Gazastreifen entsandt hat;
F. in der Erwägung, dass die Hamas und weitere bewaffnete Palästinensergruppen seit 2001 mehr als 10.000 Raketen auf Südisrael abgefeuert haben; in der Erwägung, dass die VN-Charta, insbesondere deren Artikel 51, im Falle eines bewaffneten Angriffs ausdrücklich das Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung vorsieht;
G. in der Erwägung, dass die israelische Blockade des Gazastreifens trotz der internationalen Mahnungen seit 2007 existiert, was eine tiefgreifende humanitäre Krise zur Folge hat, die die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens betrifft, wobei sich die Situation im Westjordanland nur begrenzt verbessert hat;
H. in der Erwägung, dass bei Verstößen gegen die Genfer Konventionen die universelle Gerichtsbarkeit für schwere internationale Straftaten wie etwa Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Folter und Völkermord zum Einsatz kommen darf;
I. in der Erwägung, dass die Verhandlungen zwischen beiden Seiten über eine umfassende Regelung des israelisch-palästinensischen Konflikts ausgesetzt wurden; in der Erwägung, dass die israelischen Siedlungen im Westjordanland kontinuierlich ausgeweitet werden, was durch die kürzlich erfolgte Veröffentlichung von Ausschreibungen für mehr als 1.200 Unterkünften in den Siedlungen von Ramot und Pisgat Ze’ev belegt wird;
J. in der Erwägung, dass eine Beendigung der Ausweitung der Siedlungen von der palästinensischen Seite als Vorbedingung für eine Wiederaufnahme der Gespräche betrachtet wird; in der Erwägung, dass die israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten gemäß dem Völkerrecht illegal sind und eine Zweistaatenlösung irreversibel gefährden;
K. in der Erwägung, dass Präsident Mahmud Abbas am 29. November 2012 einen Antrag vorbringen wird, Palästina den Status eines beobachtenden Nichtmitgliedstaats bei der UNO zu verleihen; in der Erwägung, dass dieser Status die Chancen der Palästinenser auf einen Beitritt zu VN-Agenturen verbessern würde;
1. verurteilt mit Nachdruck den erneuten Ausbruch der Gewalt im Gazastreifen und in den angrenzenden Gebieten und fordert beide Parteien auf, sämtliche Feindseligkeiten einzustellen, alle Militäraktionen zu beenden und unverzüglich einer Feuerpause zuzustimmen;
2. bekundet seine Solidarität mit allen Opfern und fordert verstärkte Anstrengungen im Hinblick auf humanitäre Hilfsleistungen für alle von den Konflikten betroffenen Menschen unter besonderer Berücksichtigung der anhaltenden Notlage der Bevölkerung im Gazastreifen;
3. begrüßt die Bemühungen Ägyptens, einen dauerhaften Waffenstillstand zwischen den Parteien auszuhandeln, sowie die Reise des VN-Generalsekretärs in die Region und fordert die VP/HR auf, den diplomatischen Druck zu erhöhen, um diese Aktionen zu unterstützten und ihnen zum Erfolg zu verhelfen;
4. fordert eine unverzügliche Beendigung der israelischen Blockade des Gazastreifens, damit der Zugang für internationale humanitäre Hilfsorganisationen zum Gazastreifen erleichtert und die Würde und das Recht der dort lebenden palästinensischen Bevölkerung auf eine bessere Zukunft respektiert werden;
5. warnt, dass eine weitere israelische Invasion im Gazastreifen umfangreiche Konsequenzen für den gesamten Nahen Osten haben könnte, die die bereits angespannte Situation in der Region verschärfen könnten;
6. betont, dass die Einhaltung internationaler Menschenrechtsnormen und des humanitären Völkerrechts durch alle Parteien und unter allen Umständen weiterhin eine wesentliche Voraussetzung für die Erreichung eines gerechten und dauerhaften Friedens im Nahen Osten ist;
7. weist darauf hin, dass das Recht auf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung bei einem bewaffneten Angriff verhältnismäßig sein muss und sich keinesfalls auf willkürliche Vergeltungsakte stützen darf, die in der Praxis zu Kollektivstrafen führen;
8. bekräftigt seine Auffassung, dass es keine Alternative zu einer umfassenden Verhandlungsregelung des Konflikts im Hinblick auf eine Zweistaatenlösung gibt, in deren Rahmen Israel und ein palästinensischer Staat Seite an Seite innerhalb sicherer und international anerkannter Grenzen existieren;
9. unterstützt in diesem Zusammenhang den Antrag Palästinas auf Verleihung des Status eines beobachtenden Nichtmitgliedstaats bei der UNO und erachtet dies als wesentlichen Schritt, um die palästinensischen Forderungen stärker ins Blickfeld zu rücken, ihnen Nachdruck zu verleihen und ihre Wirksamkeit zu erhöhen; fordert die Europäische Union auf, eine einheitliche Position zu vertreten und diesen Antrag zu unterstützen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, in der VN-Generalversammlung dafür zu stimmen;
10. fordert erneut das Einfrieren aller israelischen Siedlungen im Westjordanland, auch um den Weg für die Wiederaufnahme konstruktiver und substanzieller Verhandlungen zwischen den Parteien zu bereiten;
11. bekräftigt erneut, dass eine Aufwertung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Israel nachdrücklich an die strikte Achtung der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts gekoppelt werden muss, einschließlich einer unverzüglichen Aufhebung der Blockade des Gazastreifens, eines völligen Einfrierens aller Siedlungsbauten im Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, und reelle Verpflichtungen und Maßnahmen im Hinblick auf eine umfassende Friedensregelung und die uneingeschränkte Umsetzung des EG-PLO-Interimsassoziationsabkommens;
12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem VN-Generalsekretär, dem Sondergesandten des Nahost-Quartetts, der israelischen Regierung, der Knesset, dem Präsidenten der Palästinensischen Behörde, dem Palästinensischen Legislativrat und den Organen der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer zu übermitteln.
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