Migration und Flüchtlinge in Europa
Entschliessungsantrag der Verts/ALE-Fraktion
Judith Sargentini, Ska Keller, Jean Lambert, Ulrike Lunacek, Benedek Jávor, Bart Staes, Michel Reimon im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 und das Zusatzprotokoll zu diesem Übereinkommen,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Oktober 2013 zu Maßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten zur Bewältigung des Zustroms von Flüchtlingen infolge des Konflikts in Syrien(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Dezember 2014 zur Lage im Mittelmeerraum und die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes der EU für Migration(2),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 29. April 2015 zu den jüngsten Tragödien im Mittelmeer und zur Migrations- und Asylpolitik der EU(3),
– unter Hinweis auf die europäische Migrationsagenda der Kommission vom 13. Mai 2015 (COM(2015)0240),
– unter Hinweis auf den Zehn-Punkte-Aktionsplan zu Fragen der Migration des gemeinsamen Rates der Außen- und Innenminister vom 20. April 2015,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen der Sondersitzung des Rates der Europäischen Union zur Flüchtlingskrise im Mittelmeer vom 23. April 2015,
– unter Hinweis auf den Bericht der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) vom April 2012 mit dem Titel „Tod im Mittelmeer“,
– unter Hinweis auf die Berichte des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für die Menschenrechte von Migranten, insbesondere den im Mai 2015 veröffentlichten Bericht mit dem Titel „Banking on mobility over a generation: follow-up to the regional study on the management of the external borders of the European Union and its impact on the human rights of migrants“ („Mobilität einer Generation: Nachfolgebericht zu der Regionalstudie über den Grenzschutz an den Außengrenzen der Europäischen Union und dessen Auswirkungen auf die Menschenrechte von Migranten“),
– unter Hinweis auf den Jahresbericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) über die Asylsituation in der Europäischen Union 2014,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass als Folge der globalen Flüchtlingskrise beispiellos viele Menschen Schutz in der EU suchen; in der Erwägung, dass sich der akute Anstieg der Flüchtlingszahlen wegen der immer stärker zunehmenden Instabilität an den Grenzen Europas aufgrund von Konflikten in Verbindung mit offenkundigen Menschenrechtsverletzungen, einer starken Zunahme der Gewalt und des Terrorismus und den verheerenden Folgen des Klimawandels voraussichtlich fortsetzen wird; in der Erwägung, dass dadurch einmal mehr deutlich wird, dass dringend alles getan werden muss, um Menschen vor dem Tod zu retten, die aus ihren Ländern fliehen und in Gefahr sind, und in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten ihre internationalen Verpflichtungen – darunter auch die Pflicht zur Rettung von Menschen auf See – einhalten müssen;
B. in der Erwägung, dass 2015 laut Angaben des UNHCR 2 800 Frauen, Männer und Kinder bei dem Versuch, an einen sicheren Ort in Europa zu gelangen, zu Tode gekommen sind oder seitdem als vermisst gelten; in der Erwägung, dass die Organisation Ärzte ohne Grenzen am 5. August 2015 in einer Erklärung betonte, dass bei Weitem nicht genügend angemessene Such- und Rettungsoperationen durchgeführt werden; in der Erwägung, dass Flüchtlinge und Migranten auch auf ihrem Weg durch Europa ihr Leben verlieren; in der Erwägung, dass im August 71 Frauen, Männer und Kinder auf ihrem Weg von Ungarn nach Österreich in einem Lastwagen tot aufgefunden wurden;
C. in der Erwägung, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten Flüchtlinge und Migranten quasi in die Arme von kriminellen Schmugglern zwingen, indem sie Zäune errichten und ihre Außengrenzen gegenüber irregulärer Migration verschließen, ohne Möglichkeiten für eine legale Einreise zu bieten;
D. in der Erwägung, dass nach Angaben des UNHCR von Januar bis August 2015 in Griechenland auf dem See- und dem Landweg 229 460 Menschen und von Januar bis Juli 2015 in Italien auf dem Seeweg 115 500 Menschen angekommen sind; in der Erwägung, dass nach Angaben von FRONTEX zwischen Januar und Juli 2015 in Ungarn 150 000 Menschen angekommen sind;
E. in der Erwägung, dass die Zahl der Anträge auf internationalen Schutz im Juli 2015 in den Mitgliedstaaten der EU und in Norwegen und der Schweiz 123 294 betrug und somit erstmals über 100 000 lag und insgesamt 28 % höher als im Juni 2015 war;
F. in der Erwägung, dass die wichtigsten Herkunftsstaaten der Asylsuchenden 2015 laut Angaben von FRONTEX Syrien, Afghanistan, Eritrea und Irak sind; in der Erwägung, dass der großen Mehrheit der Menschen, die aus diesen Staaten nach Europa fliehen, Schutz gewährt wird;
G. in der Erwägung, dass sich auf der jüngsten Tagung des Europäischen Rates vom 25. und 26. Juni 2015 und auf der anschließenden Tagung des Rates (Justiz und Inneres) vom 20. Juli 2015 nicht auf einen Umverteilungsmechanismus für die Umsiedlung und Neuansiedelung von Menschen geeinigt werden konnte und sich stattdessen auf einen freiwilligen Mechanismus geeinigt wurde; in der Erwägung, dass sich die Mitgliedstaaten nicht auf die Bereitstellung von 40 000 Plätzen für die Umsiedlung von Flüchtlingen von Griechenland und Italien einigen konnten und stattdessen für nur 32 256 Plätze Zusagen gemacht wurden;
H. in der Erwägung, dass am 3. September 2015 die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande sich über die Notwendigkeit einig waren, einen dauerhaften und obligatorischen Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen unter allen Mitgliedstaaten zu schaffen;
I. in der Erwägung, dass der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, am 3. September 2015 dazu aufgerufen hat, mindestens 100 000 Flüchtlinge umzuverteilen;
J. in der Erwägung, dass in einer Untersuchung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) darauf hingewiesen wird, dass Europa das weltweit gefährlichste Ziel für Migranten ohne geregelten Status ist, wodurch einmal mehr deutlich wird, dass alles getan werden muss, um Menschen in Gefahr vor dem Tod zu retten und dafür, dass Mitgliedstaaten ihre internationalen Schutzverpflichtungen erfüllen;
K. in der Erwägung, dass viele Bürgerinnen und Bürger beispiellose Solidarität mit Flüchtlingen zeigen, sie herzlich willkommen heißen und ein beeindruckendes Maß an Unterstützung gewähren; in der Erwägung, dass Bürgerinnen und Bürger Europas damit zeigen, dass der Schutz der Bedürftigen und Mitgefühl wahre europäische Werte bleiben;
L. in der Erwägung, dass die derzeitige Lage einen beschämenden Mangel an Solidarität einiger Regierungen mit den Asylsuchenden sowie unzulänglich koordinierte und kohärente Maßnahmen aufzeigt; in der Erwägung, dass diese Situation zu Chaos und Menschenrechtsverletzungen führt;
M. in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten und ihre führenden Vertreter einen proaktiven Ansatz ergriffen und Bereitschaft und Willen, Flüchtlinge zu empfangen, gezeigt haben; in der Erwägung, dass andere Mitgliedstaaten diesem guten Beispiel folgen sollten;
N. in der Erwägung, dass die verschiedenen Standpunkte der einzelnen EU-Mitgliedstaaten weiterhin aufzeigen, dass es in der EU 28 unterschiedliche Migrationsstrategien gibt; in der Erwägung, dass der Mangel an einheitlichen Asylverfahren und -standards in den Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Schutzniveaus und in manchen Fällen sogar zu unangemessenen Garantien für Asylsuchende führt;
O. in der Erwägung, dass die führenden Vertreter einiger Mitgliedstaaten und rechtsextreme Parteien die aktuelle Situation nutzen, um gegen die Migration Stimmung zu machen und der EU die Schuld an der Krise zu geben, was zu einer Zunahme der Gewalttaten gegen Migranten führt;
P. in der Erwägung, dass Personen gemäß der Genfer Konvention von 1951 ungeachtet ihres Herkunftsstaats aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung in einem anderen Land Asyl beantragen können;
1. bekundet tiefe Trauer und Bedauern angesichts der gegenwärtigen Lage der Flüchtlinge und der fehlenden Solidarität und Wahrnehmung von Verantwortung durch die Mitgliedstaaten; ist der Ansicht, dass die restriktive Migrations- und Asylpolitik der EU und ihrer Mitgliedstaaten zum Tod von Menschen führt; fordert daher einen sofortigen Wandel in der Migrations- und Asylpolitik, um weitere Todesfälle zu vermeiden;
2. lobt die Gruppen der Zivilgesellschaft und Einzelpersonen in ganz Europa, die in großen Zahlen aktiv werden, um die Flüchtlinge und Migranten zu begrüßen und ihnen zu helfen; begrüßt sehr die bemerkenswerte öffentliche Unterstützung, u. a. von religiösen Organisationen, nichtstaatlichen Organisationen und Einzelpersonen, die in zunehmendem Maße dazu führt, dass Regierungen ihre Politik und Rhetorik ändern; fordert die europäischen Bürger auf, ihre Unterstützung und ihr Engagement für eine humanitäre Reaktion auf die Flüchtlingskrise beizubehalten; ist der Ansicht, dass diese Aktionen die wirkliche Wahrung der europäischen Werte zeigen und ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft Europas sind;
3. ist der Auffassung, dass die zunehmenden Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedstaaten, sowohl hinsichtlich der ankommenden Flüchtlinge und Migranten als auch hinsichtlich ihrer Endziele unhaltbar sind; bedauert, dass es der Europäischer Rat nicht schaffte, sich auf einen verbindlichen Mechanismus für Notfall-Umsiedlungen von 40 000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien in andere Mitgliedstaaten zu einigen, und ist tief enttäuscht, dass trotz klarer Leitlinien des Europäischen Rates die Mitgliedstaaten bisher nur 32 256 Plätze in zwei Jahren versprochen haben, während Griechenland allein 23 000 ankommende Flüchtlinge innerhalb einer Woche zählt; begrüßt die Entscheidung von Österreich und Deutschland tausende Flüchtlinge und Migranten, die unter unhaltbaren Bedingungen in Ungarn gestrandet sind, aufzunehmen und fordert alle Mitgliedstaaten auf, diesem Beispiel politischer Führung, die sich auf humanitäre Werte stützt, zu folgen;
4. begrüßt die neuen Initiativen der Kommission, die Umsiedlungsplätze zu vervierfachen, um die Situation in Ungarn zu entspannen und Griechenland und Italien weiter zu unterstützen; ist jedoch der Ansicht, dass spontane Lösungen für Notfallsituationen nur begrenzte Wirkung zeigen können; unterstützt daher den zusätzlichen Vorschlag der Kommission für einen Mechanismus für eine dauerhafte Umsiedlung, der in Notfallsituationen zu aktivieren ist; fordert den Rat nachdrücklich auf, beide Maßnahmen schnell und ohne Verzögerung anzunehmen; ist bereit, den neuen Plan für Notfall-Umsiedlungen in einem beschleunigten Verfahren zu behandeln und erklärt seine Absicht, alle anderen von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen gleichzeitig vorzuziehen, so dass sichergestellt wird, dass Mitgliedstaaten den Plan für eine dauerhafte Umsiedlung nicht verzögern; bedauert die fehlende Kooperation des Rates zu der vorausgegangenen Maßnahme der Notfall-Umsiedlungen, was dazu führte, dass er die Vorschläge des Parlaments im Anhörungsverfahren ignorierte; erinnert den Rat daran, dass das Parlament einen verbindlichen Umsiedlungs-Mechanismus nachdrücklich befürwortet, der – so weit wie möglich – die Präferenzen der Flüchtlinge berücksichtigt, und der grundsätzlich das Einverständnis der Flüchtlinge zu ihrer Umsiedlung erfordert; fordert den Rat nachdrücklich auf, diesen Vorschlag bei der Annahme der neuen Maßnahme der Notfall-Umsiedlungen zu berücksichtigen; fordert die Kommission und den Rat auf, dafür zu sorgen, dass alle Initiativen in diesem Bereich auf Grundlage des Mitentscheidungsverfahrens als rechtliche verbindliche Akte ohne die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen vorgeschlagen und angenommen werden; ruft die Mitgliedstaaten auf, solche Akte schnell und nach Treu und Glauben umzusetzen;
5. betont, dass die Freizügigkeit innerhalb des Schengen-Raums zu den größten Errungenschaften der europäischen Integration gehört, dass Schengen sich positiv auf das Leben von Hunderttausenden EU-Bürgern auswirkt, sowohl durch den unkomplizierten Grenzübergang als auch durch die Förderung der Wirtschaft, und dass die Freizügigkeit ein grundlegendes Recht und eine Säule der Unionsbürgerschaft ist; verurteilt die Versuche, das Funktionieren des Schengen-Raums zu untergraben;
6. begrüßt die operative Unterstützung, die die Kommission Mitgliedstaaten an den Außengrenzen, wie Griechenland, Italien und Ungarn, mittels sogenannter „Hotspots“ durch das Zusammenführen von Experten aus den Agenturen der EU wie FRONTEX, dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) und dem Europäischen Polizeiamt (Europol) bereitstellen wird, um Mitgliedstaaten bei der Registrierung der ankommenden Menschen zu helfen; weist die Mitgliedstaaten darauf hin, dass der Erfolg solcher Registrierungszentren von ihrem Willen abhängt, Flüchtlinge von den „Hotspots“ in ihre Territorien umzusiedeln; erinnert daran, dass die Verfahren für die Rückkehr der Personen, die keinen Schutz genießen, vollständig den Menschenrechtsstandards entsprechen müssen und dass freiwillige Rückkehr Vorrang vor erzwungener Rückkehr haben sollte;
7. fordert die Kommission auf, im Haushaltsplan 2016 und in den Bestimmungen des mehrjährigen Finanzrahmens eine große Marge und umfassende Mittel vorzusehen, damit EASO und die Mitgliedstaaten rascher und umfassender unterstützt werden können, was ihre Tätigkeiten bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen, einschließlich im Rahmen der Umsiedlungspläne, anbelangt;
8. fordert die Einrichtung von humanitären Korridoren in den Transitländern von Flüchtlingen (sowohl im Mittelmeerraum als auch in den westlichen Balkanstaaten), um humanitäre Hilfe bereitzustellen und dafür zu sorgen, dass die grundlegendsten Bedürfnisse der Flüchtlinge erfüllt und ihre Menschenrechte geachtet werden;
9. fordert die unverzügliche Überprüfung der Dublin-Verordnung durch die Schaffung eines dauerhaften und rechtlich verbindlichen EU-weiten Systems zur Verteilung der Asylsuchenden auf die Mitgliedstaaten auf der Grundlage einer fairen und obligatorischen Verteilung, wobei die Bedürfnisse und Präferenzen der Asylsuchenden berücksichtigt werden; weist darauf hin, dass ein System, in dessen Rahmen die Asylsuchenden in einem Mitgliedstaat Asyl beantragen könnten, in dem sie bereits familiäre Bindungen, Verbindungen zu einer Gemeinschaft oder bessere Beschäftigungsperspektiven haben, ihre Integrationsaussichten erheblich verbessern würde; ist auch der Ansicht, dass ein derartiges System die irreguläre Sekundärmigration innerhalb der EU erheblich einschränken würde, ebenso wie die Notwendigkeit von Zwangsmaßnahmen wie die Festnahme von Asylsuchenden zum Zwecke ihrer Rücküberstellung an den zuständigen Mitgliedstaat; fordert die Kommission ferner auf, Vorschläge vorzulegen, die die gegenseitige Anerkennung von positiven Asylbescheiden, die Übertragung des internationalen Schutzstatus innerhalb der EU und den Aufbau eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ermöglichen; fordert die Mitgliedstaaten in der Zwischenzeit nachdrücklich auf, bei der Anwendung der Bestimmungen der Dublin-Verordnung im Einklang mit dem Grundsatz der Solidarität und der Grundrechte auf eine enge Auslegung zu verzichten, etwa in Bezug auf die Bestimmungen zu unbegleiteten Minderjährigen, Familienzusammenführungen und Ermessensklauseln; begrüßt, dass Deutschland die sogenannte Souveränitätsklausel der Dublin-Verordnung auf syrische Flüchtlinge anwendet, so dass sie in Deutschland bleiben können, statt in den Mitgliedstaat der ersten Einreise zurückgeschickt zu werden; fordert andere Mitgliedstaaten auf, diesem Beispiel zu folgen;
10. nimmt die Verdreifachung der FRONTEX-Operationen Triton und Poseidon im Mittelmeerraum und ihren Beitrag zur Rettung von Menschenleben auf See zur Kenntnis; ist der Ansicht, dass ein dauerhaftes und humanitäres europäisches System der Suche und Rettung geschaffen werden sollte;
11. verweist darauf, dass die Möglichkeiten für Menschen, die Schutz bedürfen, legal in die EU einzureisen, sehr beschränkt sind und bedauert die Tatsache, dass sie sich auf kriminelle Schlepper und gefährliche Routen verlassen müssen, um in Europa Schutz zu suchen; ist daher der Ansicht, dass es absolut vorrangig ist, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten sichere und legale Wege für Flüchtlinge anbieten; fordert die Kommission auf, ein sehr viel ehrgeizigeres europäisches Neuansiedlungsprogramm vorzulegen, mit dem die Zahl der bisher geplanten 20 000 Plätze für die Neuansiedlung deutlich erhöht wird, und fordert die Mitgliedstaaten auf, die notwendigen Plätze zur Verfügung zu stellen; weist erneut darauf hin, dass das UNHCR für 230 000 syrische Flüchtlinge Plätze für Neuansiedlungen sucht; legt den Mitgliedstaaten nahe, private Sponsorenprogramme zu schaffen, die den nichtstaatlichen Organisationen oder anderen Gruppen, wie religiöse Organisationen, die Möglichkeit eröffnen, die Neuansiedlungen von Flüchtlingen zu unterstützen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Familienzusammenführung zu verbessern, rechtliche und praktische Hindernisse für schnellere Entscheidungen über Familienzusammenführung zu beseitigen und die Leitlinien der Kommission zur Anwendung der Richtlinie zum Recht auf Familienzusammenführung nach Buchstaben und Geist zu befolgen; ist der Ansicht, dass der Visakodex geändert werden sollte, indem speziellere gemeinsame Bestimmungen über Visa aus humanitären Gründen eingefügt werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, die bereits bestehenden Möglichkeiten ihrer Botschaften und Konsulate für die Erteilung von Visa aus humanitären Gründen umfassend zu nutzen, damit schutzbedürftige Personen auf sicherem Weg per Fähre oder Flugzeug in die EU einreisen können, statt ihr Leben auf nicht seetüchtigen Schmugglerbooten zu gefährden; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Möglichkeit zu schaffen, in ihren Botschaften und Konsulaten Asyl zu beantragen; fordert die Kommission auf, eine Befreiung von der Visumpflicht für Syrien einzuführen, so dass syrische Flüchtlinge nicht länger ein Visum brauchen, um in den Schengen-Raum einzureisen;
12. ist besorgt über den Vorschlag der Kommission, EU-Beitrittsländer und mögliche Kandidatenländer für den Beitritt, einschließlich der Länder des westlichen Balkans und der Türkei, für die Zwecke des Asyls zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären; ist der Ansicht, dass die Verfahrensrechte der Bürger dieser Staaten im Asylverfahren damit erheblich beschränkt werden würden; weist darauf hin, dass der auf dem Konzept „sichere Herkunftsländer“ beruhende Ansatz die Menschenrechte untergräbt, insbesondere derjenigen Personen, die schutzbedürftigen Gruppen angehören, beispielsweise Personen, die Minderheiten angehören, oder lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Personen; weist darauf hin, dass im Jahr 2014 Staatsbürger der Länder des westlichen Balkans eine durchschnittliche Anerkennungsrate von etwa 5 % und in einigen Mitgliedstaaten wie Finnland und Italien von bis zu 50 % aufwiesen; weist darauf hin, dass die Lage der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten in Beitrittskandidatenländern häufig keine Priorität der Kommission ist, und dass es irreführend ist, vorzutragen, dass in diesen Ländern keine Menschenrechtsverletzungen mehr stattfinden;
13. betont, dass die EU Personen, die nach Europa kommen möchten, auch legale Wege für die Einreise in die EU und den Verbleib in der EU anbieten sollte; weist darauf hin, dass Arbeitsmigranten derzeit kaum andere Mittel für die legale Einreise in die EU haben als Asylanträge; fordert die Einrichtung eines Korridor für Arbeitsimmigration für Kandidatenländer für den Beitritt zur EU, der den Bürgerinnen und Bürgern dieser Staaten vereinfachten Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt gewähren würde; weist darauf hin, dass die alternde Gesellschaft in Europa entschiedene Maßnahmen auch im Bereich der Migration erforderlich macht; ist der Ansicht, dass das derzeitige unsystematische Vorgehen der EU und ihrer Mitgliedstaaten in Bezug auf die Regulierung der Migration durch einen EU-Migrationskodex ersetzt werden sollte; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu ratifizieren und umzusetzen;
14. verurteilt die Vorfälle unmenschlicher und erniedrigender Behandlung von Migranten und Flüchtlingen in europäischen Ländern, darunter auch Hassreden und von manchen Strafverfolgungsbehörden und extremistischen Gruppen begangene Gewaltakte; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dringend Maßnahmen gegen Gewalttaten und Hassreden, die gegen Flüchtlinge und Migranten gerichtet sind, zu ergreifen; fordert ferner alle führenden Vertreter der EU und ihrer Mitgliedstaaten auf, klar für die europäische Solidarität, die Achtung der Würde des Menschen und die Rechte der Flüchtlinge und Migranten Stellung zu beziehen;
15. verurteilt die Inhaftierung von Migranten und die Kriminalisierung ihrer Handlungen, wie etwa den illegalen Grenzübertritt; ist der Ansicht, dass dieser Ansatz Migranten zu Unrecht als Kriminelle und Gefahr der öffentlichen Ordnung darstellt; erinnert daran, dass – außer im Fall sehr schwerer Straftaten – sich Mitgliedstaaten nicht unter dem Vorwand, dass die Betroffenen bestehenden Vorschriften verletzt hätten, ihrer Verpflichtungen aus den Menschenrechten und dem Asylrecht entziehen können; fordert ein Ende der Inhaftierungen; fordert, dass die Bedingungen in den Auffangeinrichtungen vollständig den Grundrechtsstandards und dem Unionsrecht entsprechen müssen; fordert die Mitgliedstaaten auf, nicht diejenigen zu bestrafen, die freiwillig Migranten aus humanitären Gründen helfen, einschließlich Beförderer;
16. spricht sich gegen die Operation EUNAVOR Med, die gegen Schlepper und Menschenhändler im Mittelmeerraum gerichtet ist, aus; lehnt die Initiative des Hohen Beauftragten ab, die zweite Phase der Operation einzuleiten, die zum unbeabsichtigten Einsatz potenziell todbringender Gewalt gegen unbewaffnete Migranten und Flüchtlinge führen könnte; bekräftigt seine Forderung, jede Handlung zu unterlassen, die nicht durch das Völkerrecht gedeckt ist; bedauert die übermäßige Militarisierung der Bemühungen zur Lösung der Flüchtlingskrise in einigen Mitgliedstaaten; ist der Auffassung, dass es die Konzentration auf den militärischen Kampf gegen Schlepper, die Zerstörung ihrer Wasserfahrzeuge, verstärkte Streifengänge sowie das Errichten von Mauern und Zäunen an Außengrenzen gefährlicher für Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, macht, Europa zu erreichen und sie noch mehr in die Arme der Schlepper treibt; ist darüber hinaus der Ansicht, dass dies ein falsches Signal sendet, d. h. dass Asylsuchende ein Sicherheitsrisiko darstellen, dem mit militärischen Mittel begegnet werden kann; betont, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Personen, die internationalen Schutz benötigen, die Einreise in das Gebiet der EU zu ermöglichen;
17. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Zusammenarbeit zur Verhinderung irregulärer Migration und Verbesserung von Grenzkontrollen mit Drittländern wie Eritrea und Ägypten, d. h. Grenzkontrollen, die Flüchtlinge eigentlich zurückweisen, unverzüglich auszusetzen und jegliche finanzielle Unterstützung für solche Regimes in Anbetracht der Berichte der Vereinten Nationen und von nichtstaatlichen Organisationen über Menschenrechtsverstöße auszusetzen; weist die Vorschläge der Mitgliedstaaten zurück, europäische Asylzentren in Drittländern einzurichten und nordafrikanische Länder und die Türkei an europäischen See- und Rettungsmaßnahmen zu beteiligen, um Flüchtlinge abzufangen und auf afrikanischen und türkischen Boden zurückzubringen; fordert die Kommission diesbezüglich auf, dem Parlament eine Bewertung dahingehend vorzulegen, wie diese Vorschläge mit dem internationalen Asylrecht in Einklang stehen und welche praktischen und rechtlichen Hemmnisse für ihre Umsetzung bestehen; fordert, den Khartoum-Prozess durch einen Prozess zu ersetzen, der sich auf die umfassende Achtung der Menschenrechte stützt und auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen konzentriert, um gegen die eigentlichen Ursachen der Migration vorzugehen; fordert die Kommission und den Rat nachdrücklich auf, sich auf dem Gipfel von Valletta im November auf die Frage der eigentlichen Ursachen der Migration wie Armut, Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Klimawandel, Korruption, verantwortungslose Regierungsführung und bewaffnete Konflikte zu konzentrieren; weist Pläne zurück, nach denen Entwicklungshilfe an stärkere Grenzkontrollen durch Drittstaaten oder Rückübernahmeabkommen mit Drittstaaten geknüpft werden; fordert die EU, ihre Mitgliedstaaten und die internationale Gemeinschaft auf, ihren Anteil an Armut und Konflikt durch zu Landwirtschafts , Handels Außen , Friedens und sonstige Politik zu überprüfen; fordert die EU, die Mitgliedstaaten und die internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, sich stärker in die Beilegung von Konflikten einzubringen und vor allem dazu beizutragen, nachhaltige politische Lösungen in diesen Ländern in Konfliktsituationen wie Irak, Syrien und Libyen zu finden sowie den politischen Dialog – auch mit regionalen Organisationen – zu stärken, indem alle Aspekte der Menschenrechte berücksichtigt werden, um integrative und demokratische Einrichtungen zu unterstützen, die Widerstandsfähigkeit lokaler Gemeinschaften aufzubauen und die soziale und demokratische Entwicklung in den Herkunftsländern und unter ihrer Bevölkerung zu fördern;
18. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission nachdrücklich auf, die für die Reaktion auf humanitäre Krisen innerhalb und außerhalb der EU vorgesehenen finanziellen und sonstigen Mittel aufzustocken; betont, dass die humanitäre Reaktion auf die Flüchtlingskrise Teil eines längerfristigeren Plans sein sollte, der Unterstützung im Bereich humanitäre Hilfe für die Nachbarländer der Herkunftsländer der Flüchtlinge und Maßnahmen zur Stärkung ihrer Fähigkeit für einen raschen Wiederaufbau und für den Schutz vorsieht sowie die Rolle von Einrichtungen der Vereinten Nationen stärkt und die Menschenrechtslage wie die wirtschaftliche Lage in den Herkunfts- und Transitländern verbessert;
19. fordert eine rasche und vollständige Umsetzung sowie wirksame Durchsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems durch alle teilnehmenden Mitgliedstaaten, wodurch gemeinsame europäische Standards im Rahmen der bestehenden Rechtsvorschriften sichergestellt werden; fordert die Kommission auf, die ordnungsgemäße Überwachung der Durchführung und Überwachung dieser Regeln sicherzustellen;
20. weist erneut darauf hin, dass der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, der für diese Angelegenheiten zuständig ist, derzeit einen Bericht verfasst, der den mittel- und längerfristigen politischen Leitlinien des Parlaments für den Bereich Migration darstellt;
21. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.