Europäische Bürgerinitiative
Das Europäische Parlament will erfolgreiche Bürgerinitiativen zum Hearing laden
Der Verfassungsausschuss des Europäischen Parlaments beschloss heute eine Regelung, wonach das Parlament in Zukunft Bürgerinnen und Bürger, die eine erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative (EBI) auf den Weg gebracht haben, einladen will, ihre Argumente im Parlament vorzutragen. Hierzu erklärt Gerald Häfner, Berichterstatter des Europäischen Parlaments für die EBI und verfassungspolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion:
"Europa muss mehr auf seine Bürger hören. Die Europäische Union braucht mehr substanzielle Bürgerbeteiligung. Mit der am 1. April 2012 neu eingeführten Europäischen Bürgerinitiative haben wir dafür ein erstes Instrument geschaffen.
Heute wurde diesem Instrument der bisher noch fehlende, wichtigste Baustein hinzugefügt: die regelmäßige und verbindliche Organisation von Bürgeranhörungen durch das Europäische Parlament. Dies ist ein neuer Schritt in der Geschichte des vereinten Europa und des europäischen Parlamentarismus. Erstmals haben nicht nur die Institutionen, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger das Recht, Vorschläge zur Gesetzgebung in Europa zu unterbreiten.
Das Europäische Parlament hat sich mit dieser Entscheidung verpflichtet, Initiatoren von Vorschlägen, die die Unterstützung von mehr als einer Million europäischer Bürger gefunden haben, einzuladen, ihre Vorschläge zu begründen und ihre Argumente mit den Abgeordneten des Europäischen Parlamentes auszutauschen. Zu der Anhörung werden nicht nur die Initiatoren, sondern auch der jeweils zuständige EU-Kommissar eingeladen.
Als Initiator dieser Idee im Europäischen Parlament bin ich froh und stolz, heute endlich eine klare Mehrheit gefunden zu haben. Somit wird das Europäische Parlament in Zukunft nicht nur reden, sondern auch zuhören. Das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Demokratie in Europa. Zufrieden werde ich aber – und neben mir auch die Bürgerinnen und Bürger Europas – nur sein, wenn es neben dem Gesetzesinitiativrecht auch ein Entscheidungsrecht der Bürgerinnen und Bürgern in wichtigen Fragen gibt.“
Hintergrund:
Die EBI wurde von Demokratieinitiativen wie Mehr Demokratie, Democracy International und dem Initiative & Referendum Institute Europe vorgeschlagen und vom Konvent für die geplante Europäische Verfassung in den Verfassungsentwurf aufgenommen. Nach der Ablehnung des Verfassungsprojektes fand sie Aufnahme in den Vertrag von Lissabon (Art. 11 (4)).
Der von der Kommission im Frühjahr 2010 veröffentlichte Regelungsentwurf stieß auf breite Ablehnung des Parlaments. Erst nachdem dessen vier Berichterstatter, A. Lamassoure (EPP), Z. Gurmai (S&D); D. Wallis (ALDE) und G. Häfner (GRÜNE) in Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission erhebliche Verbesserungen durchgesetzt hatten, erzielte der so geänderte Entwurf in der Abstimmung vom 15.12.2010 eine überwältigende Mehrheit von 628:15 Stimmen und wurde anschließend am 14.2.2011 auch vom Rat angenommen.
Nach einer 13-monatigen Frist für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten, trat die Verordnung am 1.4.2012 in Kraft. Von jetzt an können Bürger überall in der EU zu ihnen wichtigen Anliegen Vorschläge machen. Sie brauchen dazu zunächst 7 Mit-Initiatoren aus verschiedenen Ländern. Unterschriften können für maximal 12 Monate online oder auf Papier gesammelt werden. Dabei gilt es, die Unterstützung von mindestens 1 Million Unionsbürgern aus mindestens 7 Mitgliedsstaaten zu gewinnen.
Erfolgreiche EBIs müssen vom Parlament wie von der Kommission angehört werden. Anschließend prüft die Kommission, ob und ggf. in welcher Weise sie dieses Anliegen umsetzen kann und arbeitet dafür auf der Grundlage der EBI ggf. einen entsprechenden Initiativvorschlag für das Verfahren der ordnungsgemäßen EU-Gesetzgebung aus.
Die heute im Verfassungsausschuss mit 17 Ja-, 1 Neinstimmen und 4 Enthaltungen verabschiedete Regelung setzt diese Vorgabe in der Geschäftsordnung des Europäischen Parlamentes um. Die Initiatoren erfolgreicher EBIs können demnach im jeweils zuständigen Ausschuss des EP in Anwesenheit des zuständigen EU-Kommissars ihr Anliegen begründen und unter den Europaabgeordneten für Unterstützung werben.