WIPO-Sitzung in Genf
Europäische Kommission blockiert besseren Zugang zu Lesestoff für Blinde und Sehbehinderte
Ein Vorschlag für ein Abkommen über Ausnahmen und Einschränkungen für Sehbehinderte wird derzeit auf einer Sitzung der WIPO (World Intellectual Property Organisation) in Genf diskutiert. Der Vorschlag dazu kam von der World Blind Union (WBU) und wurde von Brasilien, Ecuador und Paraguay unterstützt. Trotz der großen Unterstützung von sehr vielen weiteren Ländern, die USA eingeschlossen, hat sich die EU nicht für dieses Abkommen oder die Zielsetzung, für Menschen mit Sehbehinderungen Ausnahmen und Einschränkungen im Urheberrecht zur Anwendung zu bringen, ausgesprochen. Zur großen Überraschung war die EU, bei der WIPO vertreten durch die Europäische Kommission, sogar gegen die Einsetzung einer WIPO-Arbeitsgruppe zu diesem Thema. Die Europäische Kommission verteidigt ausschließlich nationale Lösungen und verspricht lediglich über Lösungen auf EU-Ebene nachzudenken und ignoriert dabei vollständig die ganz grundsätzliche Frage von sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten. (1)
Eva Lichtenberger, Koordinatorin der Grünen im Rechtsausschuss des Europäischen Parlamentes, erklärte dazu:
" Auch hier im Europäischen Parlament wurde diese Frage bereits intensiv diskutiert. In einem hochinteressanten Hearing hatten die Vertreter des Weltverbandes der Menschen mit Sehbehinderungen ihre Forderungen präsentiert und diese sind bei den Abgeordneten auf breiteste Zustimmung gestoßen. Die Kommission hingegen verschließt offenbar Augen und Ohren und verhindert eine internationale Lösung.
Diese Blockade schadet nicht nur Sehbehinderten in den ärmeren Ländern, sondern sehr wohl auch den Betroffenen in der EU. Ich appelliere an die Vertreter der EU, die Blockade aufzugeben und für eine Lösung auf internationaler Ebene einzutreten! Blinde und sehbehinderte Menschen haben ein Recht auf verbesserte kulturelle Teilhabe und die Voraussetzungen dafür gilt es schleunigst zu schaffen!"
Anmerkungen:
1) Weltweit leiden Millionen von Blinden und Sehbehinderten unter der chronischen Knappheit an zugänglicher Literatur und anderem Lesematerial. Ein Recht auf Lesen besteht für sie nicht. In Lateinamerika, Asien und Afrika, wo die große Mehrheit von Blinden und Sehbehinderten lebt, sind weniger als 0,5% der Veröffentlichungen für sie zugänglich. In den höher entwickelten Ländern sind auch lediglich 3 bis 5 % in den vier Hauptsprachen Englisch, Spanisch, Deutsch und Französisch in für Sehbehinderte lesbaren Formaten erhältlich. Zusätzlich schränkt die unsichere Rechtslage im Bereich der geistigen Eigentumsrechte derzeit den Import und Export zugunsten von Sehbehinderten in ärmeren Ländern erheblich ein. Studien haben gezeigt, dass die rechtliche Lage den Zugang zu Wissen wesentlich einschränkt sowie die nochmalige teure und ja eigentlich bereits erfolgte und damit unnötige "Übersetzung" der Inhalte in lesbare Formate nötig macht.