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"Zorn und Entsetzen"

Wo warst Du vor 20 Jahren ? - Sepp Kusstatscher erinnert sich

Sehr gut erinnere ich mich an die letzten Tage im April und die ersten im Mai 1986, als von Tag zu Tag zunehmend schrecklichere Nachrichten über die ukrainische Stadt Tschernobyl kamen, wo ein Atomreaktor explodiert sei. Die Tatsache, dass ein Unfall in einem solchen Ausmaß passieren konnte, hat mich regelrecht entsetzt. Echt zornig wurde ich, als bekannt gegeben wurde, dass die UdSSR zunächst alles verheimlichen wollte. Dann wurden vielfach nur Halbwahrheiten oder Unwahrheiten verbreitet. Unfassbar war für mich die Nachricht, dass Rettungsmannschaften z.T. ohne Information und Schutzausrüstung einfach in die Todeszonen geschickt worden sind.

All diese Nachrichten drangen erst nach und nach durch. Neben meiner Wut im Bauch machte sich Ohnmacht und Angst breit. Ich verfolgte sehr aufmerksam alle Neuigkeiten, vor allem, als Anfang Mai in deutschen Medien auf die Gefahren durch strahlenbelastete Lebens- und Futtermittel aufmerksam gemacht wurde. Heimlich hoffte ich, dass wir südlich der Alpen etwas glimpflicher davon kommen würden. Allerdings, Messungen der Landesämter erbrachten den Beweis, dass auch in Südtirol die gesetzlich zulässige Strahlenbelastung mancherorts überschritten worden war. 

Meine Frau war damals beim dritten Kind schwanger. Als es dann Ende September 1986 zu einer Frühgeburt kam und unser Kind starb, erläuterte uns der Frauenarzt, dass es in den vorhergehenden Monaten und Wochen auffallend viele Komplikationen bei Schwangerschaften und ungewöhnlich viele Frühgeburten gegeben hätte. Er kann sich das nur mit Tschernobyl erklären. Beweise seien im Einzelfall aber schwierig. 

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